Die Principessa
Neri, Monsignore Spada, als Elemosiniere und obersten Bauaufseher an seinen Hof berief. Der verlässliche Gefolgsmann der spanischen Partei, der Innozenz seine Wahl verdankte, besaß das uneingeschränkte Vertrauen des Papstes, sodass es keine Frage war, dass er zusammen mit dem neuen Amt auch die Leitung jener Kommission übernahm, welche die Überprüfung des Glockenturms von Sankt Peter zur Aufgabe hatte.
Eine verteufelt heikle Aufgabe, wie Spada wusste, denn die Überprüfung des Turmes stellte zugleich das Ansehen seines Erbauers in Frage, des berühmten Cavaliere Bernini. Dennoch nahm Spada das Amt ohne Murren auf sich, denn er verknüpfte damit ein Ziel, das aller Mühen wert war. Der Turm stellte zusammen mit seinem noch zu errichtenden Zwilling an der rechten Seite der Fassade die eigentliche Vervollkommnung desDomes dar und machte diesen seiner Bedeutung als größte Kirche der Christenheit erst würdig, ein trotz seiner technischen Mängel in ästhetischer Hinsicht so großartiges Meisterwerk, dass alles darangesetzt werden musste, ihn zu erhalten. Und obwohl Spada als frommer Gottesmann sich der Beschränktheit seines Handelns durchaus bewusst war, stand für ihn außer Frage, dass es angesichts der widerstreitenden Kräfte und Interessen, die in diesem Prozess aufeinander stoßen und die schlimmsten Kämpfe und Intrigen hervorrufen würden, nur einen Mann in Rom gab, der dieser Aufgabe gewachsen war: ihn selbst.
Wen sollte er in die Kommission berufen? Der Papst verlangte noch im Winter eine Liste zu sehen. Dazu gehörten fraglos Stadtbaumeister Rainaldi sowie der Architekt der Stadtmauer Roms, Cipriano Artusini, ein begnadeter Mathematiker. Als Vertreter der Jesuiten hatte Spada Antonio Sassi vorgemerkt, außerdem drängten sich aufgrund ihres Rufs wie ihrer Sachkenntnis Pietro Fontana, Martino Longhi und Andrea Bolgi auf. Nur ein Name bereitete Virgilio Spada Kopfzerbrechen, und er hatte ihn auf seiner Liste mit einem großen Fragezeichen versehen, obwohl Donna Olimpia und auch der Papst sich für seine Berücksichtigung aussprachen: Francesco Borromini.
Sollte er ihn tatsächlich benennen? Spada scheute sonst nicht vor Entscheidungen zurück, doch selten war ihm eine so schwer gefallen wie diese. Einerseits war Borromini der fähigste Architekt und Ingenieur, den er kannte, und deshalb wie kein Zweiter berufen, an einer Lösung für den Erhalt des Glockenturms mitzuwirken, andererseits aber war er ein so schwieriger und unberechenbarer Mensch, dass man unmöglich vorhersagen konnte, wie er sich in dieser heiklen Mission verhalten würde. Hatte er den Hohn und Spott verwunden, mit dem man ihn früher so oft wegen seiner kühnen Ideen überschüttet hatte? Obwohl Borromini vollkommen selbstlos eigene Interessen verleugnen konnte, solange es um seine Arbeit ging, lauerte hinter seinem Eifer stets der Hochmut, die Todsünde
superbia
. Würde er es nicht als Erniedrigung empfinden, wenn er nun dazu beitragen sollte, einBauwerk Berninis vor dem Abriss zu bewahren? Die Rivalität der ehemaligen Weggefährten war ja stadtbekannt. Musste er sich da nicht erneut zurückgesetzt fühlen, genauso wie beim Bau des Hochaltars von Sankt Peter, den die ungerechte Welt als alleinige Schöpfung des Cavaliere pries, ohne Borrominis Verdienst daran zu sehen? Lag es da nicht nahe, dass er eine Berufung in die Kommission dazu missbrauchen würde, Rache an seinem Rivalen zu nehmen, um ihn womöglich als Dombaumeister zu verdrängen?
Um Antwort auf diese Fragen zu bekommen, beschloss Spada, Borromini einer Prüfung zu unterziehen.
»Gesetzt den Fall«, fragte er ihn, »der Sohn eines Mannes, mit dem Sie auf den Tod verfeindet sind, fällt in einen reißenden Sturzbach und droht vor Ihren Augen zu ertrinken. Was würden Sie in einem solchen Fall tun?«
»Was sollte ich anderes tun«, fragte Borromini zurück, »als das, was jeder ehrbare Mensch tun würde? Ich würde versuchen, das Leben des Kindes zu retten.«
»Auch dann, wenn der Vater Ihnen größtes Unrecht zugefügt hat? Wenn er Sie um Ihr Hab und Gut gebracht und um alles in der Welt betrogen hat, was Ihnen lieb und wert ist?«
»Auch dann, Ehrwürdiger Vater. Was kann das Kind für die Taten seines Erzeugers?«
»Und wenn dieser Mann« – Monsignore Spada schlug ein Kreuzzeichen – »Ihr eigenes Kind entführt und sein Gesicht entstellt hat? Wie würden Sie dann handeln?«
Borromini überlegte eine Weile, doch dann sagte er mit fester Stimme: »Auch in
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