Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
vorzunehmen. Etwa um diese Zeit tauchte das Einhorn auf. Es schien uns aufzufordern, ihm zu folgen – und wir gehorchten.
Es hatte uns durch eine kaleidoskopartige Fülle von Veränderungen geführt, bis wir schließlich diesen Ort erreichten, an dem es uns wieder allein ließ. Während mir dieser gewaltige Reigen der Ereignisse durch den Kopf ging, arbeitete mein Verstand an der Schwelle zum Unterbewußtsein weiter und kehrte nun zu den Worten zurück, die Random soeben gesagt hatte. Ich hatte das Gefühl, ihm wieder ein Stück voraus zu sein. Wie lange dieser Zustand andauern mochte, wußte ich nicht, doch war mir nun klar, wo ich schon einmal Darstellungen von der Hand gesehen hatte, die den durchstochenen Trumpf geschaffen hatte.
Wenn er eine seiner melancholischen Perioden durchmachte, hatte Brand oft zum Pinsel gegriffen; und als ich mir die vielen Leinwände vorstellte, die er bepinselt hatte, erinnerte ich mich an seine Lieblingstechniken. Dazu seine Jahre zurückliegende Kampagne, Erinnerungen und Beschreibungen aller Leute zu sammeln, die Martin gekannt hatten. Random hatte seinen Stil noch nicht erkannt, doch ich fragte mich, wie lange es dauern mochte, bis er wie ich über die möglichen Ziele von Brands Informationssuche nachzudenken begann. Selbst wenn seine Hand die Klinge nicht selbst geführt hatte, war Brand doch in die Angelegenheit verstrickt, denn von ihm kam das Werkzeug zu dieser Tat. Ich kannte Random gut genug, um zu wissen, daß die eben geäußerten Worte ernst gemeint waren. Er würde versuchen, Brand zu töten, sobald ihm die Verbindung aufging. Eine mehr als unangenehme Sache.
Dabei ging es mir nicht darum, daß Brand mir wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Ich bildete mir ein, meine Schuld bei ihm beglichen zu haben, als ich ihn aus dem Turm rettete. Nein. Nicht Schuld oder Gefühl veranlaßte mich, nach einer Möglichkeit zu suchen, Random in die Irre zu führen oder von voreiligen Schritten abzuhalten. Es war vielmehr die nüchterne Überlegung, daß ich Brand brauchte. Dafür hatte er gesorgt. Daß ich ihn jetzt rettete, hatte einen Grund, der nicht weniger altruistisch war als die Motive, die ihn bewegt hatten, als er mich aus dem See zog. Er besaß etwas, dessen ich jetzt bedurfte: Informationen. Er hatte dies sofort erkannt und setzte mich geschickt auf kleine Rationen: sein Beitrag zur Gewerkschaft des Lebens.
»Ich sehe die Ähnlichkeit«, sagte ich zu Random. »Du könntest recht haben mit deiner Vermutung.«
»Natürlich habe ich recht.«
»Die Karte wurde durchstoßen«, sagte ich.
»Kein Zweifel. Ich weiß nicht ...«
»Er wurde also nicht durch den Trumpf geholt. Der Täter hat Verbindung aufgenommen, hat ihn aber nicht überreden können, durchzukommen.«
»So? Der Kontakt muß sich aber bis zu einer ausreichenden Festigkeit und Nähe entwickelt haben, daß er zustechen konnte. Vielleicht hat er ihn sogar geistig blockiert und festgehalten, während er blutete. Der Junge hatte vermutlich keine große Erfahrung mit den Trümpfen.«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, sagte ich. »Llewella oder Moire können uns sicher sagen, wieviel er über die Trümpfe wußte. Ich wollte mehr auf die Möglichkeit hinaus, daß der Kontakt vielleicht vor dem Tod unterbrochen wurde. Wenn er deine regenerativen Fähigkeiten geerbt hat, lebt er vielleicht noch.«
»Vielleicht? Ich möchte keine Mutmaßungen hören, sondern klare Antworten!«
Damit begann ein schwieriger geistiger Balanceakt. Ich glaubte etwas zu wissen, das ihm unbekannt war, doch meine Informationsquelle war nicht die beste. Außerdem wollte ich mich über die Möglichkeit zunächst ausschweigen, weil ich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, mit Benedict darüber zu sprechen. Andererseits war Martin Randoms Sohn, und ich wollte seine Aufmerksamkeit von Brand ablenken.
»Random, vielleicht habe ich etwas«, sagte ich.
»Was?«
»Unmittelbar nachdem Brand verwundet wurde«, sagte ich, »als wir uns im Wohnzimmer unterhielten, da kam die Sprache auch auf Martin – erinnerst du dich?«
»Ja. Aber dabei wurde nichts Neues diskutiert.«
»Ich hätte damals etwas dazu sagen können, doch ich habe mich zurückgehalten, weil eben alle da waren. Außerdem wollte ich die Sache mit der betreffenden Person unter vier Augen weiter verfolgen.«
»Wer ist der Mann?«
»Benedict.«
»Benedict? Was hat der mit Martin zu schaffen?«
»Keine Ahnung. Deshalb wollte ich ja den Mund halten, bis ich mehr wußte.
Weitere Kostenlose Bücher