Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
»Ich habe ein Stück vom Hintergrund gesehen.«
Ich nickte.
»Interessanter Ausblick aus dieser Höhe«, sagte ich und blickte auf das Spionglas an seinem Gürtel; im gleichen Augenblick erkannte ich, daß wir auf dem breiten Felsvorsprung standen, von dem aus Eric am Tage seines Todes und meiner Rückkehr die Schlacht geleitet hatte. Ich trat vor und betrachtete den schwarzen Pfad durch Garnath, der tief unter uns lag und sich bis zum fernen Horizont erstreckte.
»Ja«, sagteer. »Die schwarze Straße scheint ihre Grenzen fast überall stabilisiert zu haben. An einigen Stellen jedoch erweitert sie sich noch immer. Es sieht fast so aus, als näherte sie sich einer höchsten Übereinstimmung mit irgendeinem ... Muster. Jetzt erzählt schon, woher kommt ihr?«
»Ich habe die letzte Nacht in Tir-na Nog´th verbracht«, sagte ich. »Und heute früh sind wir beim Überqueren des Kolvir vom Weg abgekommen.«
»Was nun wirklich eine Leistung ist«, stellte er fest. »Sich auf dem eigenen Berg zu verirren! Man kommt immer wieder nach Osten, weißt du. Das ist die Richtung, aus der, wie zu hören ist, die Sonne aufsteigt.«
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoß.
»Es hat einen Unfall gegeben«, sagte ich und blickte zur Seite. »Dabei ist uns ein Pferd verlorengegangen.«
»Was für ein Unfall?«
»Ein schlimmer Unfall – schlimm für das Pferd.«
»Benedict«, sagte Random und hob den Kopf. Erst jetzt bemerkte ich, daß er die ganze Zeit den durchstochenen Trumpf angeschaut hatte. »Was kannst du mir über meinen Sohn Martin sagen?«
Benedict musterte ihn einige Sekunden lang, ehe er reagierte. »Woher das plötzliche Interesse?« fragte er dann.
»Weil ich Grund zu der Vermutung habe, daß er tot ist«, erwiderte Random. »Wenn das stimmt, möchte ich ihn rächen. Wenn nicht- nun, der Gedanke, daß er tot sein könnte, hat mich ziemlich aufgewühlt. Lebt er aber noch, möchte ich ihn gern sehen und mit ihm sprechen.«
»Wie kommst du darauf, daß er vielleicht nicht mehr lebt?«
Random sah mich an. Ich nickte.
»Fang beim Frühstück an«, sagte ich.
»Während er erzählt, besorge ich uns etwas zu essen«, sagte Ganelon und wühlte in einem seiner Tragebeutel herum.
»Das Einhorn wies uns den Weg ...«, begann Random.
3
Wir aßen schweigend. Random hatte zu sprechen aufgehört, und Benedict starrte über Garnath in den Himmel. Sein Gesicht war unbewegt. Ich hatte es vor langer Zeit gelernt, sein Schweigen zu respektieren.
Schließlich nickte er und wandte sich an Random.
»Seit langem habe ich etwas Ähnliches vermutet«, stellte er fest, »aus Bemerkungen, die Vater und Dworkin im Laufe der Jahre gemacht haben. Ich hatte den Eindruck, daß es ein Ur-Muster geben müsse, das sie entweder ausfindig gemacht oder selbst geschaffen hatten, wobei sie unser Amber nur einen Schatten entfernt davon ansiedelten, damit sie auf die Kräfte des Ur-Musters zurückgreifen konnten. Ich hatte allerdings keinen Hinweis darauf mitbekommen, wie man an diesen Ort gelangt.«
Sein Blick richtete sich auf Garnath, und er machte eine typische Bewegung mit dem Kinn. »Und das hier, so meint ihr, entspricht dem, was dort geschah?«
»Sieht so aus«, erwiderte Random.
»... und wurde hervorgerufen durch Martins Blut?«
»Ich nehme es an.«
Benedict hob den Trumpf, den Random ihm während seines Berichts übergeben hatte. Zuerst hatte Benedict nichts dazu bemerkt.
»Ja«, sagte er jetzt. »Dies ist Martin. Er besuchte mich, als er Rebma verlassen hatte. Er blieb lange bei mir.«
»Warum ist er zu dir gekommen?« wollte Random wissen.
Benedict lächelte.
»Irgendwohin mußte er doch«, gab er zurück. »Er war seiner Stellung in Rebma überdrüssig, seine Haltung gegenüber Amber war unausgeprägt, er war jung und frei und hatte gerade erst die Kräfte entdeckt, die das Muster ihm verlieh. Er wollte fort, wollte neue Dinge sehen, wollte durch die Schatten reisen – wie wir alle. Als kleinen Jungen hatte ich ihn einmal nach Avalon mitgenommen, damit er im Sommer mal über das trockene Land wandern konnte, damit er reiten lernte und sah, wie Korn geerntet wurde. Als er dann plötzlich in der Lage war, sich im Nu überallhin zu versetzen, waren seine Möglichkeiten dennoch nur auf die wenigen Orte beschränkt, die er kannte. Gewiß, er hätte sich auf der Stelle etwas erträumen und dorthin ziehen können – sich also eine Welt schaffen. Aber er wußte auch, daß er noch viel zu lernen hatte, ehe er sich
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