Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
verraten.«
Ganelon schwieg einen Augenblick lang und fragte: »Hattest du Gelegenheit, dich um die Frage zu kümmern, die ich dir neulich abend vor deinem Grabmal gestellt habe?« fragte er schließlich.
»Welche Frage?«
»Ob man die Trümpfe abhorchen kann«, sagte er. »Nachdem wir nun wissen, daß Martin ein Spiel hatte ...«
Nun lag es an mir, den Mund zu halten, während eine kleine Familie von Erlebnismomenten meinen Pfad kreuzte, im Gänsemarsch, von links kommend, mir die Zunge herausstreckend.
»Nein«, sagte ich dann. »Darum habe ich mich noch nicht kümmern können.«
Wir legten eine ziemlich weite Strecke zurück, ehe er sagte: »Corwin, die Nacht, in der du Brand zurückholtest ...«
»Ja?«
»Du hast gesagt, du hättest dich um jeden einzelnen gekümmert bei dem Versuch, festzustellen, wer dich erdolchen wollte, und daß eigentlich keines deiner Geschwister die Tat in der zur Verfügung stehenden Zeit hätte bewerkstelligen können.«
»Oh«, sagte ich. »Oh.«
Er nickte.
»Jetzt mußt du einen weiteren Verwandten in deine Überlegungen einbeziehen. Vielleicht fehlt ihm die Finesse der Familie nur, weil er noch jung und unerfahren ist.«
Vor meinem inneren Auge saß ich und winkte der stummen Parade von Momenten zu, die zwischen Amber und später hindurchmarschierte.
4
Als ich geklopft hatte, fragte sie, wer da sei, und ich gab ihr
Antwort.
»Einen Augenblick.«
Ich hörte ihre Schritte, und dann ging die Tür auf. Vialle ist kaum größer als fünf Fuß und sehr schlank. Brünett, schmalgesichtig, eine sehr leise Stimme. Sie trug Rot. Ihre blicklosen Augen schauten durch mich hindurch, erinnerten mich an die Düsternis der Vergangenheit, an Schmerz.
»Random«, sagte ich, »hat mich gebeten, Euch zu sagen, daß er noch aufgehalten wurde, daß Ihr Euch aber keine Sorgen machen sollt.«
»Bitte kommt herein«, sagte sie, trat zur Seite und machte dabei die Tür ganz auf.
Ich kam ihrer Aufforderung nach. Ich wollte eigentlich nicht eintreten, doch ich tat es. Ich hatte Randoms Bitte nicht wörtlich nehmen wollen – ihr zu erzählen, was geschehen und wohin er geritten war. Im Grunde wollte ich ihr nur mitteilen, was ich eben gesagt hatte – nicht mehr. Erst als wir unserer separaten Wege gegangen waren, wurde mir klar, was Randoms Ersuchen eigentlich umfaßte: Er hatte mich um nichts weiter gebeten, als seine Frau aufzusuchen, mit der ich bisher kaum ein halbes Dutzend Worte gewechselt hatte, und ihr zu sagen, daß er losgeritten sei, um nach seinem illegetimen Sohn zu suchen, dem Kind, dessen Mutter Morganthe Selbstmord begangen hatte, wofür Random bestraft worden war, indem er Vialle heiraten mußte. Die Tatsache, daß diese Ehe sehr harmonisch war, verblüffte mich noch immer. Ich hatte nicht den Wunsch, der Überbringer unangenehmer Nachrichten zu sein; als ich in das Zimmer trat, versuchte ich einen Ausweg zu finden.
Ich kam an einer Büste Randoms vorbei, die links an der Wand auf einem hohen Regal stand. Ich war schon daran vorbei, ehe mir auffiel, daß hier mein Bruder dargestellt war. Auf der anderen Seite des Zimmers entdeckte ich Vialles Arbeitstisch. Ich drehte mich um und betrachtete die Büste.
»Ich wußte gar nicht, daß Ihr Skulpturen macht«, sagte ich.
»Ja.«
Ich sah mich in der Wohnung um und entdeckte dabei andere Arbeiten, die von ihr sein mußten.
»Recht gut«, sagte ich.
»Vielen Dank. Möchtet Ihr Euch nicht setzen?«
Ich ließ mich in einen großen Stuhl mit hohen Armlehnen sinken, der bequemer war, als er aussah. Sie nahm auf einem niedrigen Diwan zu meiner Rechten Platz und zog die Beine hoch.
»Kann ich Euch etwas zu essen oder zu trinken anbieten?«
»Nein danke. Ich kann nicht lange bleiben. Die Sache ist die: Random, Ganelon und ich sind auf dem-Rückweg ein bißchen vom Wege abgekommen, anschließend haben wir uns noch eine Zeitlang mit Benedict besprochen. Daraus hat sich ergeben, daß Random und Benedict eine weitere kurze Reise machen mußten.«
»Wie lange wird er fort sein?«
»Wahrscheinlich nur über Nacht. Vielleicht ein bißchen länger. Sollte es erheblich länger werden, wird er sich wahrscheinlich über irgendeinen Trumpf melden, und dann geben wir Euch Bescheid.«
Meine Wunde begann zu schmerzen, und ich legte die Hand darauf und massierte vorsichtig die Stelle.
»Random hat mir viel von Euch erzählt«, sagte sie.
Ich lachte leise.
»Seid Ihr sicher, daß Ihr nicht doch etwas essen möchtet? Es macht keine
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