Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
umgebracht habt?« fragte ich.
»Wächter des Kreises«, erwiderte er. »Aber es waren keine Männer mehr, sondern Besessene. Betet zu Gott, Sir Corey, daß ihre Seelen in Frieden ruhen.«
»Wächter des Kreises?« fragte ich. »Was für ein Kreis ist das?«
»Der schwarze Kreis – der Ort der Schlechtigkeit, ein Ort voller widerlicher Ungeheuer ...« Er atmete tief ein. »Der Quell der Krankheit, die auf diesem Land liegt.«
»Mir scheint die Gegend nicht besonders krank zu sein«, sagte ich.
»Wir sind fern von jenem Ort, und Ganelons Macht ist für die Eindringlinge noch zu groß. Doch der Kreis breitet sich aus. Ich spüre, daß die entscheidende Schlacht eines Tages hier ausgetragen wird.«
»Ihr habt meine Neugier geweckt.«
»Sir Corey, wenn Ihr nichts davon wißt, wäre es besser für Euch, wenn Ihr meine Worte schnell wieder vergeßt, um den Kreis einen Bogen macht und Eures Weges zieht. Zwar täte ich nichts lieber, als an Eurer Seite zu fechten, doch dies ist nicht Euer Kampf – und wer vermag zu sagen, wie die Auseinandersetzung endet?«
Der Weg begann sich hangaufwärts zu winden. Durch eine Lücke zwischen den Bäumen sah ich plötzlich eine ferne Erscheinung, die mich stocken ließ und meine Erinnerung auf einen anderen ähnlichen Ort richtete.
»Was ...?« fragte mein Schützling und drehte sich um. Dann rief er aus: »Ihr seid ja viel schneller vorangekommen, als ich ahnte! Das ist unser Ziel, die Burg von Ganelon!«
Und da dachte ich an Ganelon, an
einen
Ganelon. Ich sehnte diese Gedanken nicht herbei, doch ich konnte nichts dagegen tun. Er war ein gemeiner Mörder und Verräter gewesen, und ich hatte ihn vor vielen Jahrhunderten aus Avalon verstoßen. Ich hatte ihn durch die Schatten in eine andere Zeit und an einen anderen Ort verbannt, so wie es mein Bruder Eric später mit mir getan hatte. Ich hoffte, daß ich ihn nicht gerade hier abgesetzt hatte. Das war zwar nicht anzunehmen, doch immerhin möglich. Zwar war er ein Sterblicher mit begrenzter Lebensspanne, und ich hatte ihn vor etwa sechshundert Jahren aus jenem Reich verbannt, doch schien es möglich, daß nach den Gegebenheiten dieser Welt erst wenige Jahre vergangen waren. Auch die Zeit ist eine Funktion der Schatten, und selbst Dworkin kannte sich nicht hundertprozentig damit aus. Vielleicht aber doch. Vielleicht war er gerade deswegen wahnsinnig geworden. Das größte Problem mit der Zeit ist meiner Erfahrung nach die Notwendigkeit, sie zu durchleben. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, daß dieser Mann nicht mein alter Feind und früherer Vertrauter sein konnte, denn
der
hätte sich zweifellos keiner Woge der Schlechtigkeit widersetzt, die sich über das Land auszubreiten drohte. Jener Mann wäre mitten in den Kreis vorgedrungen und hätte sich mit den widerlichen Ungeheuern verbündet, davon war ich überzeugt.
Probleme bereitete mir auch der Mann, den ich in den Armen hielt. Sein Doppelgänger hatte zur Zeit meines Exilspruchs in Avalon gelebt – und dieser Umstand deutet darauf hin, daß der Zeitsprung so ziemlich stimmen konnte.
Ich hatte keine Lust, jenem Ganelon gegenüberzutreten, den ich aus früherer Zeit kannte, und womöglich von ihm erkannt zu werden. Er wußte nichts von den Schatten. Sein Wissen beschränkte sich auf die Erkenntnis, daß ich ihn mit Schwarzer Magie beeinflußt hatte, als Alternative zur Hinrichtung – und obwohl er diese Alternative überlebt hatte, mochte der Weg für ihn schlimmer gewesen sein als der schnelle Tod.
Doch der Mann in meinen Armen brauchte eine sichere Bettstatt und Ruhe; ich stolperte also weiter. Meine Gedanken kreisten allerdings immer wieder um die große Frage.
Ich schien etwas an mir zu haben, das dem Verwundeten vage bekannt vorkam. Wenn es an diesem Ort, der Avalon zugleich ähnelte und nicht ähnelte, Erinnerungen an einen Schatten meiner selbst gab – welche Form hatten diese Erinnerungen? Zu welchem Empfang des tatsächlichen Corwin würden sie führen, sollte meine Identität wirklich enthüllt werden?
Die Sonne begann unterzugehen. Ein kühler Wind machte sich bemerkbar, Vorbote einer kühlen Nacht. Da mein Schützling wieder zu schnarchen begonnen hatte, beschloß ich den Rest der Strecke im Laufschritt zurückzulegen. Mir mißfiel der Gedanke, daß es in diesem Wald nach Einbruch der Dunkelheit von den scheußlichen Bewohnern eines Kreises wimmeln mochte, von dem ich nichts wußte, die sich aber von ihrer unangenehmsten Seite zeigten, wenn man sich in diese
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