Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
sehen.
    »Was ist los, Sir Corey?« rief Ganelon. Der Zettel, den ich zu meinem Ziel vorausgeschickt hatte, von mir selbst geschrieben, überbracht von einem Vogel meiner Schöpfung, konnte nur den Ort erreichen, der mein nächster Aufenthalt sein sollte. Allerdings war dies nicht der Ort, den ich im Sinn gehabt hatte. Doch ich vermochte mein eigenes Omen zu deuten.
    »Was ist?« fragte er. »Was habt Ihr da in der Hand? Eine Nachricht?«
    Ich nickte und reichte ihm den Zettel. Ich konnte ihn nicht gut fortwerfen, nachdem er gesehen hatte, wie ich die Botschaft in Empfang nahm.
    »Ich komme«, stand darauf, und darunter meine Unterschrift.
    Ganelon stieß eine Rauchwolke aus und studierte das Blatt im Schimmer der Pfeife.
    »Er lebt? Und er will
hierher
kommen?« fragte er.
    »Sieht so aus.«
    »Sehr seltsam«, sagte er. »Das verstehe ich nun wirklich nicht ...«
    »Hört sich wie ein Hilfeversprechen an«, sagte ich und entließ den Vogel, der zweimal gurrte, meinen Kopf umkreiste und dann davonflatterte.
    Ganelon schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht.«
    »Wozu dem Pferd ins Maul schauen, das Euch geschenkt wird?« fragte ich. »Ihr habt es bisher nur geschafft, das Ding im Zaum zu halten.«
    »Das ist wahr«, erwiderte er. »Vielleicht könnte er es vernichten.«
    »Und vielleicht ist das Ganze nur ein Scherz«, wandte ich ein. »Ein grausamer Scherz.«
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Nein. Das ist nicht sein Stil. Ich frage mich, worauf er es abgesehen hat?«
    »Schlaft drüber«, schlug ich vor.
    »Es bleibt mir im Augenblick wohl kaum etwas anderes übrig«, sagte er und unterdrückte ein Gähnen.
    Dann standen wir auf und schritten über die Mauer. Wir wünschten uns eine gute Nacht, und ich taumelte dem Abgrund des Schlafes entgegen und ließ mich kopfüber hineinfallen.

2
    Tag. Neue Schmerzen. Neue empfindliche Stellen.
    Jemand hatte mir einen ungebrauchten Mantel aus braunem Stoff dagelassen, und das schien mir eine gute Sache zu sein. Besonders wenn ich noch weiter zunahm und Ganelon sich an meine Farben erinnerte. Den Bart rasierte ich nicht ab, hatte er mich doch in einem etwas weniger struppigen Zustand gekannt. In seiner Gegenwart gab ich mir Mühe, meine Stimme zu verstellen. Grayswandir versteckte ich unter dem Bett.
    In der folgenden Woche trieb ich mich von einer Anstrengung zur nächsten. Ich quälte mich ab und schwitzte und hüpfte, bis die Schmerzen nachließen und meine Muskeln wieder fest wurden. Ich glaube, in dieser Woche nahm ich fünfzehn Pfund zu. Langsam, sehr langsam begann ich mich zu fühlen wie früher.
    Das Land hieß Lorraine – und so hieß auch sie. Wäre ich jetzt in der Stimmung, Sie etwas an der Nase herumzuführen, würde ich sagen, wir hätten uns auf einer Wiese hinter der Burg getroffen, während sie Blumen pflückte und ich an der frischen Luft einen Spaziergang machte. Blödsinn!
    Höflich ausgedrückt, konnte man sie wohl als Marketenderin bezeichnen. Ich begegnete ihr am Ende eines harten Tages, den ich vorwiegend mit Säbel und Netz verbracht hatte. Als mein Blick auf sie fiel, stand sie abseits und wartete auf den Mann, mit dem sie verabredet war. Sie lächelte, und ich lächelte zurück, nickte, blinzelte ihr zu und ging vorbei. Am nächsten Tag bekam ich sie wieder zu Gesicht, sagte »Hallo« und ging an ihr vorbei. Das ist alles.
    Nun, ich lief ihr immer mal wieder über den Weg. Am Ende der zweiten Woche, als die Schmerzen ausgestanden waren und ich gut hundertundsiebzig Pfund wog und mich wieder entsprechend zu fühlen begann, verabredete ich mich auf einen Abend mit ihr. Inzwischen war mir ihr Status natürlich bekannt, und ich hatte nichts dagegen. Aber an jenem Abend taten wir nicht das übliche. O nein. Statt dessen unterhielten wir uns, und später passierte etwas ganz anderes.
    Ihr Haar war rostfarben und wies schon einige graue Strähnen auf. Trotzdem schätzte ich sie auf unter Dreißig. Die Augen sehr blau. Ein etwas spitz zulaufendes Kinn. Saubere, gleichmäßige Zähne in einem Mund, der mich viel anlächelte. Ihre Stimme klang leicht nasal, sie trug das Haar zu lang, das Make-up lag zu dick über zu tiefen Spuren der Müdigkeit, ihre Haut war ein wenig zu sommersprossig, ihre Kleidung zu bunt und zu eng. Doch ich mochte sie. Als ich mich mit ihr verabredete, wußte ich noch nicht, daß sie mir gefallen würde; wie gesagt, ich hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, ihr den Hof zu machen.
    Es gab keine andere Möglichkeit als mein

Weitere Kostenlose Bücher