Die Prinzen von Amber
während er noch meine Hand hielt. Sein Gesicht verriet nichts.
Ich begann zu grinsen, ließ es dann aber sein.
»Ich weiß es nicht. Ich – ich würde es ja gern sein. Aber ich weiß es im Grunde nicht. Natürlich bin ich ein Mensch! Was für eine dumme Frage ... Ach, zum Teufel! Du willst eine ehrliche Antwort, nicht wahr? Und ich habe gesagt, ich würde dir offen antworten ...« Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und überlegte einen Augenblick lang. Dann sagte ich: »Ich glaube es nicht.«
»Ich auch nicht«, erwiderte er und lächelte. »Es macht eigentlich keinen Unterschied, aber ich dachte, daß es dir vielleicht etwas bedeutet – zu wissen, jemand weiß, daß du anders bist, ohne daß es ihm etwas ausmacht.«
»Auch daran werde ich denken«, sagte ich.
»Nun ... bis später also.«
»Ja.«
9
Der Mann von der Staatspolizei war vor kurzem gegangen ... Später Nachmittag. Ich lag im Bett und fühlte mich besser, und mir war besser, weil ich mich besser fühlte. Ich lag einfach nur da und dachte über die Gefahren nach, die ein Leben in Amber so mit sich brachte. Brand und ich waren beide bettlägerig durch die Lieblingswaffe der Familie. Ich überlegte, wen von uns beiden es wohl schlimmer getroffen hatte. Vermutlich ihn. Die Klinge hatte womöglich seine Niere verletzt, und er war ohnehin in schlechter Verfassung gewesen.
Ich war zweimal durchs Zimmer und wieder zurück getaumelt, ehe Bills Angestellter mit den Dokumenten kam, die ich unterschreiben sollte. Ich mußte meine Grenzen kennen – das ist immer von Nutzen. Da ich um ein Mehrfaches schneller gesundete als die Bewohner dieses Schattens, war ich der Meinung, daß ich schon wieder stehen und gehen können müßte, daß ich schon die Dinge schaffen müßte, die ein Hiesiger nach anderthalb oder zwei Tagen bewältigt. Und ich stellte fest, daß ich es konnte. Es tat weh, und beim erstenmal wurde mit schwindlig, doch beim zweitenmal ging es schon besser. Das war wenigstens etwas. Nun lag ich wieder im Bett und fühlte mich besser.
Dutzende von Malen hatte ich die Trümpfe vor mir aufgefächert, hatte Solitaire gespielt, hatte inmitten vertrauter Gesichter vieldeutige Zukunftszeichen gelesen. Und jedesmal hatte ich mich zurückgehalten, hatte ich den Wunsch unterdrückt, Random anzusprechen, ihm mitzuteilen, was geschehen war, und mich nach neuen Entwicklungen zu erkundigen. Später, später, sagte ich mir. Jede zusätzliche Stunde, die meine Geschwister schlafen, ist hier zweieinhalb Stunden lang. Zweieinhalb Stunden entsprechen sieben oder acht Stunden Heilung bei den einfachen Sterblichen in diesem Schatten. Halte dich zurück. Denk nach. Erhole dich.
Und so kam es, daß mir kurz nach dem Abendessen, als der Himmel langsam wieder dunkler wurde, jemand zuvorkam. Ich hatte bereits einem sauberen jungen Angehörigen der Staatspolizei all das mitgeteilt, was ich zu offenbaren gedachte. Ich habe keine Ahnung, ob er mir glaubte oder nicht, doch er war höflich und blieb nicht lange. Und schon wenige Minuten, nachdem er gegangen war, geschah es.
Ich lag im Bett und fühlte mich besser und wartete auf Dr. Bailey, damit er nachsah, wie es mit mir bergauf ging. Ich lag im Bett und ließ mir all die Dinge durch den Kopf gehen, die Bill gesagt hatte, und versuchte sie mit anderen Dingen zusammenzubringen, die ich gewußt oder vermutet hatte ...
Kontakt! Jemand war schneller gewesen als ich. Jemand in Amber war ein Frühaufsteher.
»Corwin!«
Es war Random, in ziemlicher Erregung.
»Corwin! Steh auf! Mach die Tür auf! Brand ist zu sich gekommen und fragt nach dir.«
»Hast du an die Tür gehämmert, um mich zu wecken?«
»Ja!«
»Bist du allein?«
»Ja.«
»Gut. Ich bin nämlich nicht in meinem Zimmer. Du hast mich in den Schatten erreicht.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Ich bin verwundet, aber ich werde es überstehen. Aber davon später mehr. Erzähl mir von Brand.«
»Er ist vor kurzem aufgewacht. Er hat zu Gérard gesagt, er müßte dich sofort sprechen. Gérard hat nach einem Dienstboten geklingelt und ihn zu deinem Zimmer geschickt. Als der dich nicht wachbekam, ist er zu mir gekommen. Ich habe ihn eben zu Gérard zurückgeschickt mit der Nachricht, ich würde dich holen gehen.«
»Ich verstehe«, sagte ich, streckte mich langsam aus und richtete mich auf. »Begib dich an einen Ort, wo man dich nicht sehen kann, dann komme ich zu dir. Ich brauche einen weiten Mantel oder so. Mir fehlt es an Kleidung.«
»Es
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