Die Prinzen von Amber
fort. Wenn man schon irgendeinen Aspekt besonders herausstellen muß, nehmen wir am besten den Thron. Na bitte! Jetzt habe ich es gesagt. Weißt du, wir hatten uns eine Strategie zurechtgelegt, den Thron zu übernehmen. Dies geschah kurz nach deinem Verschwinden und wurde in gewisser Weise vielleicht sogar dadurch ausgelöst. Vater hatte Eric im Verdacht, dich getötet zu haben. Allerdings gab es keine Beweise. Jahre vergingen, du warst auf keine bekannte Weise erreichbar, und die Wahrscheinlichkeit wuchs, daß du tatsächlich tot warst. Eric fiel bei Vater immer mehr in Ungnade. Eines Tages, im Gefolge einer Diskussion über ein völlig neutrales Thema – die meisten von uns saßen mit am Tisch –, sagte Vater plötzlich, kein Brudermörder würde jemals den Thron erringen – und dabei sah er Eric an. Du weißt ja, wie seine Augen sich verändern konnten. Eric wurde puterrot und bekam lange Zeit keinen Bissen hinunter. Aber dann trieb Vater die Sache weiter, als wir es vorausgesehen oder uns gewünscht hatten. In aller Fairnis dir gegenüber muß ich sagen, daß ich nicht weiß, ob es ihm nur darum ging, seinen Gefühlen Luft zu machen, oder ob er seine Worte wirklich ernst meinte. Jedenfalls sagte er uns, er sei bereits mehr als halb entschlossen gewesen, dich zu seinem Nachfolger zu machen, so daß er das, was dir widerfahren war, als persönliche Maßnahme gegen sich auffasse. Bestimmt hätte er nicht darüber gesprochen, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, daß du tot warst. In den folgenden Monaten errichteten wir dir einen Zenotaph, um dieser Schlußfolgerung eine greifbare Form zu geben, und sorgten dafür, daß Vaters Gefühle gegenüber Eric nicht in Vergessenheit gerieten. Immerhin wußten wir, daß Eric nach dir derjenige war, den wir ausschalten mußten, wenn wir den Thron erringen wollten.«
»Wir! Wer waren die anderen?«
»Geduld, Corwin! Abfolge und Ordnung, Zeit und Akzent! Herauskehrung, Unterstreichung ... Hör zu!« Er nahm eine neue Zigarette, zündete sie an der Kippe der ersten an, stach mit der brennenden Spitze durch die Luft. »Der nächste Schritt hatte zum Ziel, Vater aus Amber verschwinden zu lassen – der entscheidendste und gefährlichste Teil. Mit diesem Punkt nun begann die Uneinigkeit. Mir mißfiel der Gedanke an ein Bündnis mit einer Macht, die ich nicht ganz verstand, insbesondere eine Macht, die es den Schatten ermöglichte, einen Fuß in die Tür zu stellen. Sich Schatten nützlich zu machen, ist eine Sache; ihnen jedoch zu gestatten,
uns
zu gebrauchen, ist unüberlegt, wie immer die Voraussetzungen auch aussehen mochten. Ich sprach mich dagegen aus, doch die Mehrheit wollte es anders.« Er lächelte. »Zwei zu eins. Ja, wir waren zu dritt. Wir unternahmen also den nächsten Schritt. Die Falle wurde errichtet, und Vater schnappte nach dem Köder ...«
»Lebt er noch?« fragte ich.
»Ich weiß es nicht«, sagte Brand. »Ab hier begannen die Dinge schiefzulaufen, und später hatte ich eigene Sorgen, die mich in Trab hielten. Jedenfalls bestand unsere erste Maßnahme nach Vaters Verschwinden darin, unsere Position zu festigen, während wir eine gewisse Zeit abwarteten, bis es angebracht war, seinen Tod zu vermuten. Idealerweise brauchten wir dazu nur die Mitarbeit einer Person. Entweder Caine oder Julian – egal, wer. Weißt du, Bleys war bereits in die Schatten gegangen und stand im Begriff, eine gewaltige Armee zusammenzustellen ...«
»Bleys! Er war einer von euch?«
»Allerdings. Wir wollten ihn auf den Thron setzen – natürlich so sehr unter Kontrolle, daß es
de facto
letztlich auf ein Triumvirat hinausgelaufen wäre. Wie ich eben sagte, zog er los, um Truppen zusammenzustellen. Wir erhofften uns natürlich eine unblutige Übernahme; andererseits mußten wir bereit sein für den Fall, daß Worte zum Siege nicht genügten. Wenn Julian uns den Landweg nach Amber eröffnete oder Caine uns das Meer freigab, hätten wir die Truppen ohne Verzögerung herbeischaffen und uns notfalls auch mit Waffengewalt durchsetzen können. Leider suchte ich mir den falschen Mann aus. Meinem Gefühl nach war Caine korrupter als Julian. Mit wohlüberlegter Vorsicht trug ich ihm die Sache vor. Zuerst schien er bereit zu sein, sich auf unsere Vorstellungen einzulassen. Doch entweder überlegte er es sich hinterher anders, oder er täuschte mich von Anfang an. Natürlich glaube ich lieber an das erstere. Wie dem auch sei – irgendwann kam er zu dem Schluß, daß er mehr zu gewinnen
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