Die Prinzen von Amber
die linke Hand aufs Knie. Störend, doch erträglich: das Pulsieren meiner heilenden Wunde. Ich warte auf die Schwärze, ich warte, daß er zur Seite gezogen wird, der passende Vorhang für die Theaterrolle, die ich heute abend habe übernehmen müssen.
Und er gleitet zur Seite, enthüllt eine Hand, einen Arm, eine Schulter, der Arm ein funkelnd-metallisches Ding, die Oberflächen wie die Facetten eines Juwels, Handgelenk und Ellbogen herrliche Gebilde aus Silberdrähten, zusammengeschweißt mit Feuerpunkten, die Hand, stilisiert, skelettartig, ein Spielzeug von schweizerischer Präzision, ein mechanisches Insekt, funktionell, tödlich, auf seine Weise schön zu nennen ...
Und gleitet zur Seite, gibt den Blick frei auf den Rest des Mannes ...
Benedict steht lässig neben dem Thron, seine linke und menschliche Hand leicht darauf gestützt. Er beugte sich zum Thron. Seine Lippen bewegten sich.
Und der Vorhang gleitet weiter, enthüllt die Person auf dem Thron.
»Dara!«
Nach rechts gewendet, lächelt sie, nickt Benedict zu; ihre Lippen bewegen sich. Ich trete vor und strecke Grayswandir aus, bis seine Spitze in der Höhlung unter ihren Brüsten ruht ...
Langsam, ganz langsam, wendet sie den Kopf und begegnet meinem Blick. Sie gewinnt Farbe und Leben. Ihre Lippen bewegen sich wieder, und diesmal erreichen ihre Worte meine Ohren.
»Was seid Ihr?«
»Nein, das ist meine Frage! Ihr müßt sie beantworten. Auf der Stelle!«
»Ich bin Dara. Dara von Amber. Königin Dara. Mein Anspruch auf diesen Thron begründet sich auf Blutsbande und Eroberung. Wer seid Ihr?«
»Corwin. Ebenfalls ein Abkömmling Ambers. Bewegt Euch nicht! Ich habe nicht gefragt,
wer
Ihr seid ...«
»Corwin ist schon viele Jahrhunderte tot. Ich habe sein Grab gesehen.«
»Leer.«
»O nein. Sein Leichnam liegt darin.«
»Nennt mir Eure Abkunft!«
Ihre Augen bewegen sich nach rechts, wo noch immer der Schatten Benedicts verharrt. Eine Klinge ist in seiner neuen Hand erschienen, eine Klinge, die fast wie eine Verlängerung des Armes aussieht, doch er hält sie entspannt, gelassen. Seine linke Hand liegt nun auf Daras Arm. Seine Augen suchen mich hinter Grayswandirs Griff. Als sie nichts finden, richten sie sich von neuem auf das, was sichtbar ist – Grayswandir – und erkennen das Muster.
»Ich bin die Urenkelin Benedicts und der Höllenmaid Lintra, die er liebte und später tötete.« Benedict zuckt bei diesen Worten zusammen, doch sie fährt fort: »Ich habe sie nicht kennengelernt. Meine Mutter und Großmutter wurden an einem Ort geboren, da die Zeit nicht so vergeht wie in Amber. Ich bin der erste Abkömmling der Familie meiner Mutter, der äußerlich voll dem Menschen ähnelt. Und Ihr, Lord Corwin, seid nur ein Gespenst aus einer längst beendeten Vergangenheit, allerdings ein gefährlicher Schatten. Wie Ihr hierherkommt, weiß ich nicht. Aber es war jedenfalls ein Fehler, zu kommen. Kehrt in Euer Grab zurück. Stört die Lebenden nicht.«
Meine Hand zittert. Grayswandir weicht einen halben Zoll vom Ziel ab. Doch das genügt.
Benedicts Stich liegt unter meiner Wahrnehmungsschwelle. Sein neuer Arm treibt die neue Hand, die die Klinge hält, die Grayswandir trifft, während sein alter Arm zugleich seine alte Hand zieht, die Dara ergriffen hat und über die Seitenlehne des Throns zerrt ...
Dieser unterschwellige Eindruck erreicht mich Sekundenbruchteile später, woraufhin ich zurückweiche, durch die Luft haue, mich erhole und in die
en
garde-Position gehe ... Es ist lächerlich, daß sich zwei Gespenster bekämpfen. Dennoch ist der Kampf hier ungleich. Er kann mich nicht einmal erreichen, wohingegen Grayswandir ...
Aber nein! Seine Klinge wechselt die Hände, als er Dara losläßt und sich umdreht und beide zusammenbringt, die alte und die neue Hand. Sein linkes Handgelenk dreht sich, während er es vorwärts und hinabzieht, und sich in eine Stellung begibt, die
corps à corps
gewesen wäre, hätten wir uns in unseren sterblichen Hüllen gegenübergestanden.
Einen Augenblick lang stehen wir verschränkt da. Dieser Augenblick genügt ...
Die schimmernde mechanische Hand stößt vor, ein Ding aus Mondlicht und Feuer, Schwärze und Glätte, ganz Schneide, keine Kurven, die Finger leicht gekrümmt, die Handfläche silbrig bekritzelt mit einem halb-vertrauten Muster – diese Hand stößt vor, stößt vor und umfaßt meinen Hals ...
Das Ziel verfehlend, packen die Finger meine Schulter, und der Daumen geht auf die Suche – ob nach der
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