Die Prinzen von Amber
näherten uns Random, der inzwischen weiter rechts über die Maserung gebeugt kniete und die Verfärbung untersuchte.
»Ganelon hat in der Mitte etwas entdeckt«, sagte ich.
Random nickte.
»Schon bemerkt«, erwiderte er. »Ich versuche gerade, mir darüber schlüssig zu werden, wie man am besten hinauskommt, um sich das Ding mal näher anzusehen. Mir mißfällt die Vorstellung, ein zerstörtes Muster zu beschreiten. Andererseits frage ich mich, welchem Einfluß ich Tür und Tor öffne, wenn ich versuche, über die geschwärzte Fläche zur Mitte zu laufen. Was meint ihr?«
»Die vorhandenen Teile des Musters abzuschreiten würde Zeit kosten«, sagte ich, »wenn der Widerstand dem entspricht, was wir von zu Hause kennen. Außerdem hat man uns eingeschärft, daß wir sterben müssen, wenn wir vom Muster abweichen – und wie die Dinge hier liegen, müßte ich das Muster verlassen, sobald ich den Fleck erreiche. Andererseits könnte ich, wie du sagst, unsere Feinde herbeirufen, die sich des schwarzen Weges bedienen. Folglich ...«
»Folglich wird es keiner von euch tun«, warf Ganelon ein. »Ich gehe!«
Ohne unsere Antwort abzuwarten, nahm er einen Anlauf, sprang auf den schwarzen Streifen und rannte darauf zur Mitte hin; hastig hob er den kleinen Gegenstand auf, drehte sich um und lief zurück.
Sekunden später stand er wieder vor uns.
»Das war aber ziemlich riskant«, bemerkte Random.
Er nickte.
»Hätte ich es nicht getan, würdet ihr immer noch diskutieren.« Er hob die Hand und hielt sie uns entgegen. »Was sagt ihr dazu?«
Er hielt einen Dolch in der Hand. Die Klinge hatte sich durch ein fleckiges Stück Pappe gebohrt. Ich nahm ihm den Fund ab.
»Sieht wie ein Trumpf aus«, stellte Random fest.
»Ja.«
Ich löste die Karte, glättete die eingerissenen Teile. Der Mann, den ich betrachtete, war mir halb vertraut – was zugleich bedeutete, daß er mir halb fremd war. Blondes, glattes Haar, ein wenig spitz im Gesicht, ziemlich schmal gebaut, ein halbes Lächeln.
Ich schüttelte den Kopf.
»Den kenne ich nicht«, stellte ich fest.
»Laß mal sehen.«
Random nahm mir die Karte ab und blickte stirnrunzelnd darauf.
»Nein«, sagte er nach einer Weile. »Ist mir auch unbekannt. Ich habe fast das Gefühl, als müßte ich ihn kennen, aber ... Nein.«
In diesem Augenblick setzten die Pferde ihre Proteste mit verstärkter Lautstärke fort. Wir brauchten uns nur ein kleines Stück umzudrehen, um die Ursache ihres Unbehagens zu erkennen, hatte sich das Wesen doch diesen Augenblick ausgesucht, um aus der Höhle zu kommen.
»Verdammt!« sagte Random.
Ich stimmte ihm zu.
Ganelon räusperte sich und zog sein Schwert.
»Weiß einer von euch, was das ist?« fragte er gelassen.
Als ich das Ungeheuer erblickte, kam mir sofort eine Schlange in den Sinn. Auf diesen Gedanken brachten mich sowohl seine Bewegungen als auch die Tatsache, daß der lange dicke Schwanz eher eine Fortsetzung des langgestreckten dünnen Körpers war als ein Anhängsel. Allerdings besaß das Wesen vier doppelt untergliederte Beine mit riesigen Tatzen und bösartig schimmernden Klauen. Der schmale Kopf endete in einem Schnabel und bewegte sich beim Näherkommen von einer Seite auf die andere, so daß von den hellblauen Augen zuerst das eine und dann das andere zu sehen war. Große purpurfarbene Flügel aus einem lederartigen Material waren an den Flanken untergefaltet. Das Wesen besaß weder Haare noch Federn; allerdings hatte es Schuppenflächen auf Brust, Schultern, Rücken und Schwanz. Vom Schnabelbajonett zur hin und her zuckenden Schwanzspitze maß es gut drei Meter. Das Wesen näherte sich mit leisem Klirren, und ich sah an seinem Hals etwas Helles aufblitzen.
»Mir fällt im Augenblick nur ein Vergleich ein«, sagte Random. »Das Ding sieht aus wie ein Wappentier – ein Greifvogel. Nur ist der Bursche hier kahl und purpurfarben.«
»Jedenfalls handelt es sich nicht um unser Wappentier«, stellte ich fest, zog Grayswandir und richtete seine Spitze auf den Kopf des Tiers.
Das Geschöpf ließ eine gespaltene rote Zunge blicken. Es hob die Flügel um einige Zoll und ließ sie wieder sinken. Wenn der Kopf nach rechts schwang, bewegte sich der Schwanz nach links, dann nach links und rechts, nach rechts und links – das Ganze hatte fast etwas Hypnotisches.
Der Greif schien sich mehr für die Pferde als für uns zu interessieren; offenbar war er zu der Stelle unterwegs, wo unsere Tiere bebend und stampfend standen. Ich machte
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