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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Anstalten, mich dazwischenzustellen.
    In diesem Augenblick richtete sich das Monstrum auf.
    Die Flügel fuhren hoch und zur Seite. Sie breiteten sich aus wie zwei schlaffe Segel, in denen sich ein plötzlicher Windhauch verfangen hat. Es stand auf den Hinterbeinen hoch über uns und schien im Handumdrehen viermal so groß zu sein wie zuvor. Und dann kreischte es: ein fürchterlicher Jagdschrei oder eine Herausforderung, die mir scheußlich in den Ohren gellte. Gleichzeitig klappte es die Flügel nach unten und sprang hoch, woraufhin es sich in die Luft erhob.
    Die Pferde gingen durch. Das Ungeheuer war außer Reichweite. Erst jetzt ging mir auf, was das Klirren und Blitzen bedeutete. Das Geschöpf war an einer langen Kette festgemacht, die in die Höhle führte. Die genaue Länge dieser Kette war nun eine Frage von mehr als akademischem Interesse.
    Als der Greif zischend und flatternd über uns dahinsegelte, drehte ich mich um. Zu einem richtigen Flug hatte der Absprung nicht gereicht. Ich sah, daß Star und Feuerdrache zum entgegengesetzten Ende des Ovals flohen. Randoms Pferd Iago war dagegen zum Muster hin ausgerückt.
    Das Geschöpf kehrte auf den Boden zurück, drehte sich um, als wolle es Iago verfolgen, schien uns noch einmal zu mustern und erstarrte. Es war uns jetzt viel näher als zuvor
    – knapp vier Meter –, legte den Kopf auf die Seite, zeigte uns sein rechtes Auge, öffnete den Schnabel und stieß ein leises Krächzen aus.
    »Was meint ihr, wollen wir es angreifen?« fragte Random.
    »Nein. Warte. Das Ding verhält sich irgendwie seltsam.«
    Während meiner Worte hatte es den Kopf sinken lassen und die Flügel nach unten gerichtet. Es berührte den Boden dreimal mit dem Schnabel und blickte wieder hoch. Dann faltete es die Flügel halb an den Körper zurück. Der Schwanz zuckte einmal und begann dann kräftiger hin und her zu schwingen. Das Ungeheuer öffnete den Schnabel und wiederholte das Krächzen.
    In diesem Augenblick wurden wir abgelenkt.
    Ein gutes Stück neben der geschwärzten Fläche hatte Iago das Muster betreten. Fünf oder sechs Meter vom Rand entfernt, quer über den Linien der Macht stehend, wurde das Pferd in der Nähe eines der Schleier wie ein Insekt an einem Fliegenfänger festgehalten. Es wieherte schrill, als die Funken ringsum aufstiegen und sich seine Mähne senkrecht emporstellte.
    Augenblicklich begann sich der Himmel über dem Muster zu verdunkeln. Doch keine Wasserdampfwolke bildete sich dort. Vielmehr handelte es sich um eine vollkommen kreisrunde Formation, rot in der Mitte, zum Rand hin gelb werdend, die sich im Uhrzeigersinn drehte. Töne klangen auf – etwas, das sich wie ein einzelner Glockenschlag anhörte, gefolgt von einem seltsamen Brausen.
    Iago wehrte sich; zuerst befreite er den rechten Vorderhuf, mußte ihn aber wieder senken, als er den linken hochzerrte. Dabei wieherte er verzweifelt. Die Funken hüllten den Körper des Pferdes fast völlig ein; es schüttelte sie wie Regentropfen von Flanken und Hals und begann dabei weich und golden zu schimmern.
    Das Dröhnen nahm an Lautstärke zu, und kleine Blitze begannen in der Mitte des roten Gebildes über uns aufzuzucken. Im gleichen Augenblick erregte ein Klappern meine Aufmerksamkeit, und als ich nach unten blickte, bemerkte ich, daß der purpurne Greif an uns vorbeigeglitten war und zwischen uns und der lärmenden roten Erscheinung Stellung bezogen hatte. Er hockte dort wie ein häßlicher Wasserspeier, von uns abgewandt, und beobachtete das Schauspiel.
    Jetzt bekam Iago beide Vorderhufe frei und stieg auf die Hinterhand. Längst wirkte er irgendwie substanzlos; er schimmerte hell, und der Funkenschauer verwischte seine Konturen. Vielleicht wieherte er noch immer, doch das anschwellende Brausen von oben überdeckte nun alle anderen Geräusche.
    Ein Trichter ging von der lärmenden Formation aus – hell blitzend, aufheulend und ungeheuer schnell. Die Spitze berührte das sich aufbäumende Pferd, und einen Augenblick lang erweiterten sich seine Konturen ins Ungeheure; gleichzeitig verblaßten sie. Im nächsten Augenblick war das Tier verschwunden. Eine Sekunde lang verharrte der Kegel an Ort und Stelle wie ein perfekt ausbalancierter Kreisel. Dann begann der Lärm nachzulassen.
    Das Gebilde stieg langsam empor bis zu einem Punkt, der nicht sehr hoch – vielleicht eine Mannshöhe – über dem Muster lag. Dann zuckte es so schnell empor, wie es herabgestiegen war.
    Das Heulen ließ nach. Das Brausen erstarb.

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