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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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und ich beschleunigte meine Schritte. Über das Geländer blickend entdeckte ich am Eingang zum Thronsaal eine Gruppe Wächter, die von Gérards mächtiger Gestalt überragt wurden. Alle wandten uns den Rücken zu. Ich sprang die letzten Stufen hinab. Random war nicht weit hinter mir. Heftig drängte ich mich in die Gruppe. »Was geht hier vor, Gérard?« fragte ich.
    »Wenn ich das nur wüßte!« antwortete er. »Schau doch selbst! Allerdings kann niemand hinein.«
    Er wich zur Seite, und ich machte noch einen Schritt vorwärts. Und einen zweiten. Und mehr nicht. Es war, als stemmte ich mich gegen eine geringfügig nachgebende, aber völlig unsichtbare Mauer. Jenseits des Hindernisses spielte sich eine Szene ab, die meine Erinnerungen und Gefühle in Aufruhr brachte. Die Angst packte mich im Genick und lahmte meine Hände – und das war keine Kleinigkeit.
    Lächelnd hielt Martin einen Trumpf in der linken Hand, vor sich Benedict, der anscheinend eben erst gerufen worden war. Ganz in der Nähe, auf dem Podest des Throns, stand ein Mädchen mit abgewandtem Gesicht. Die beiden Männer schienen miteinander zu sprechen, aber ich konnte die Worte nicht hören.
    Endlich wandte Benedict sich um und sprach offenbar zu dem Mädchen. Nach einiger Zeit schien sie ihm zu antworten. Martin begab sich auf ihre linke Seite. Während sie etwas sagte, erstieg Benedict das Thronpodest. Nun konnte ich ihr Gesicht erkennen. Das Gespräch setzte sich fort.
    »Das Mädchen kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Gérard, der vorgetreten war und nun neben mir stand.
    »Mag sein, daß du sie kurz gesehen hast, als sie an uns vorbeiritt«, sagte ich. »Es war an dem Tag, als Eric starb. Es ist Dara.«
    Ich hörte, wie ihm der Atem stockte.
    »Dara!« rief er. »Dann hast du ...« Seine Stimme erstarb.
    »Ich habe nicht gelogen«, sagte ich. »Es gibt sie wirklich.«
    »Martin!« rief Random, der rechts neben mir auftauchte. »Martin! Was geht da vor?«
    Er erhielt keine Antwort.
    »Ich glaube, er kann dich gar nicht hören«, meinte Gérard. »Diese Barriere scheint uns völlig zu trennen.«
    Randoms Hände stießen gegen etwas Unsichtbares. Er schob mit voller Kraft.
    »Probieren wir es alle mal«, sagte er.
    Ich versuchte es also noch einmal, und auch Gérard stemmte sich mit ganzem Gewicht gegen die unsichtbare Mauer.
    Als wir uns eine halbe Minute lang vergeblich bemüht hatten, trat ich zurück. »Es hat keinen Sinn«, sagte ich. »Wir bekommen das Ding nicht aus dem Weg.«
    »Was ist das nur?« fragte Random aufgebracht. »Was hält uns auf ...?«
    Ich hatte sofort eine gewisse Vorstellung gehabt von dem, was da vorging – eine Ahnung, die sich von einem starken Gefühl des
déjà vu
herleitete. Jetzt allerdings ... jetzt krampfte sich meine Hand um die Schwertscheide, um sicher zu sein, daß Grayswandir noch an meiner Hüfte hing.
    Die Waffe war noch vorhanden.
    Wie ließ sich aber das Auftauchen meiner auffälligen Klinge erklären, deren kunstvolle Ornamente vor aller Augen schimmerten, eine Klinge, die urplötzlich in der Luft erschienen war und dort nun ohne Stütze verharrte, die Spitze auf Daras Hals gerichtet?
    Eine Erklärung hatte ich nicht.
    Die Szene hatte allerdings eine zu große Ähnlichkeit mit den nächtlichen Ereignissen in Tir-na Nog´th, der Traumstadt am Himmel, als daß es sich um einen Zufall handeln konnte. Es fehlte das ganze Drumherum – die Dunkelheit, die Verwirrung, die dichten Schatten, die Gefühlsstürme, die mich geschüttelt hatten – und doch war die Szene ungefähr so bereitet wie in jener Nacht. Es bestand eine große Ähnlichkeit, wenn auch keine hundertprozentige Übereinstimmung. Benedicts Haltung sah irgendwie anders aus
    – aus größerer Entfernung bildete sein Körper einen anderen Winkel. Ich konnte Dara die Worte nicht von den Lippen ablesen, fragte mich aber, ob sie dieselben seltsamen Fragen stellte. Ich nahm es nicht an. Das Tableau – der erlebten Szene ähnlich, aber auch wieder nicht – war vermutlich am anderen Ende – wenn es überhaupt eine Verbindung gab – durch die Einflüsse gefärbt worden, die Tir-na Nog´ths Kräfte damals auf meinen Geist gehabt hatten.
    »Corwin«, sagte Random, »was da vor ihr hängt, sieht mir sehr nach Grayswandir aus.«
    »Kann man wohl sagen«, gab ich zurück. »Aber du siehst selbst, daß ich meine Klinge bei mir habe.«
    »Es gibt doch keine zweite Waffe dieser Art ... oder? Weißt du, was da vor sich geht?«
    »Ich habe allmählich das

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