Die Prinzen von Amber
Stimme. »Du bist am Ende. Du siehst aus, als wärst du gerade durch die Hölle gekrochen. Du kannst nichts mehr tun. Laß es gut sein!«
»Was für einen Unterschied macht mein Gesundheitszustand noch?« erwiderte ich. »Bald kommt es nicht mehr darauf an.«
Wieder wollte ich aufstehen, und diesmal stützte mich der Arm und half mir dabei.
»Na schön«, sagte er. »Es gibt aber nicht viel Lohnenswertes zu sehen.«
Damit hatte er wohl recht. Die Schlacht schien vorbei zu sein, bis auf einige vereinzelte Widerstandsnester des Gegners, die bereits umzingelt und niedergekämpft wurden, wo bei sich alles allmählich in unsere Richtung bewegte, zurückweichend vor der herbeiwogenden Front, die bereits die andere Seite des Schlachtfeldes erreicht hatte. In Kürze würden sich auf unserer Anhöhe die Überlebenden beider Seiten drängen. Ich schaute hinter uns. Von der düsteren Zitadelle kam keine Verstärkung mehr. Konnten wir uns an jenen Ort zurückziehen, wenn das Chaos uns schließlich erreichte? Und dann was? Der Abgrund schien der letzte Ausweg zu sein. »Bald«, murmelte ich und dachte an Deirdre. »Bald.« Warum auch nicht?
Ich beobachtete die Unwetterfront, die quirlte und kochte und Blitze aussandte. Ja, bald. Nachdem das Juwel mit Brand untergegangen war ...
»Brand ...«, sagte ich. »Wer hat ihn da vorhin erwischt?«
»Diese Ehre beanspruche ich«, sagte eine mir bekannte Stimme, die ich aber nicht unterbringen konnte.
Ich wandte den Kopf. Der Mann in Grün saß auf einem Felsen, Pfeil und Bogen neben sich auf dem Boden. Er musterte mich mit einem bösen Lächeln.
Es war Caine.
»Da soll mich doch ...!« sagte ich und rieb mir das Kinn. »Ich hatte da ein seltsames Erlebnis auf dem Weg zu deiner Beerdigung.«
»Ja. Ich habe davon gehört.« Er lachte. »Hast du dich schon mal selbst umgebracht, Corwin?«
»Letzthin nicht. Wie hast du das fertiggebracht?«
»Ich bin in den entsprechenden Schatten eingedrungen«, sagte er, »und habe den dortigen Schatten meiner selbst in einen Hinterhalt gelockt. Der lieferte mir die Leiche.« Er erschauderte. »Ein unheimliches Gefühl, das kann ich dir sagen! So etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen.«
»Aber warum?« wollte ich wissen. »Warum hast du deinen Tod vorgetäuscht und mir zur Last legen lassen?«
»Ich wollte an die Wurzeln der Probleme in Amber«, sagte er, »und damit ein für allemal aufräumen. Der beste Weg dorthin schien mir die Arbeit aus dem Untergrund zu sein. Und wie hätte ich euch nachhaltiger davon überzeugen können, daß ich wirklich tot war? Wie ihr seht, habe ich mein Ziel nun doch noch erreicht.« Er hielt inne. »Die Sache mit Deirdre tut mir allerdings leid. Aber ich hatte keine andere Wahl. Es war unsere letzte Chance. Ich hatte nicht geglaubt, daß er sie mit sich in den Tod reißen würde.«
Ich wandte den Blick ab.
»Ich hatte keine andere Wahl«, wiederholte er. »Ich hoffe, das siehst du ein.«
Ich nickte. »Aber warum hast du es so aussehen lassen, als hätte ich dich umgebracht?« wollte ich wissen.
In diesem Augenblick traf Fiona in Bleys Begleitung ein. Ich begrüßte beide und wandte mich dann wieder Caine zu, der mir noch eine Antwort schuldig war. Auch von Bleys wollte ich Auskünfte haben, die mir aber nicht so sehr unter den Nägeln brannten.
»Also?« fragte ich.
»Ich wollte dich ausschalten«, entgegnete er. »Ich dachte noch immer, du könntest der Drahtzieher hinter allem sein. Du oder Brand. Auf diese beiden hatte ich die Sache schon eingeengt. Ich nahm sogar an, daß ihr beide vielleicht gemeinsame Sache machtet – besonders, wo er sich solche Mühe gab, dich zurückzuholen.«
»Das hast du nicht richtig gesehen«, schaltete sich Bleys ein. »Brand versuchte ihn fernzuhalten. Er hatte erfahren, daß er die Erinnerung wiederfand, und ...«
»Das weiß ich heute«, sagte Caine. »Aber damals stellte sich die Sache anders dar. Ich wollte Corwin also wieder in einem Verlies wissen, während ich nach Brand suchte. Anschließend behielt ich den Kopf unten und hörte mir alles an, was durch die Trümpfe gesagt und getan wurde und hoffte auf einen Hinweis, der mir Brands Aufenthaltsort ver
raten hätte.«
»
Das
meinte Vater also!« sagte ich.
»Was?« fragte Caine.
»Er deutete an, es gebe einen Lauscher in den Trümpfen.«
»Ich wüßte nicht, wie er das gemerkt haben sollte. Ich hatte mir beigebracht, mich völlig passiv zu verhalten. Ich habe alle Karten vor mich hingelegt, sie alle
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