Die Prinzen von Amber
Schiff. Er wollte den letzten Akt persönlich miterleben.
Wir griffen den ersten Verfolger an, hatten aber kaum Gelegenheit, ihn zu versenken; schon fiel Caine über uns her. Schließlich stand ich auf dem blutigen Deck, von einem Dutzend Männern umgeben, und Caine ging zum Bug seines Schiffs und forderte mich auf, die Waffen zu strekken.
»Schenkst du meinen Männern das Leben, wenn ich es tue?« fragte ich.
»Ja«, erwiderte er. »Täte ich es nicht, würde ich noch ein paar Leute mehr verlieren – und das muß nun wirklich nicht sein.«
»Gibst du mir dein Wort als Prinz?« fragte ich.
Er überlegte einen Augenblick lang und nickte schließlich.
»Also gut«, sagte er. »Laß deine Männer die Waffen niederlegen und zu mir an Bord steigen, sobald ich längsseits komme.«
Ich steckte meine Klinge fort und schaute nickend in die Runde.
»Ihr habt einen guten Kampf geliefert, und ich liebe euch dafür«, sagte ich. »Doch in diesem Augenblick sind wir unterlegen.« Während des Sprechens trocknete ich mir die Hände an meinem Mantel ab und wischte sie sauber, da ich ungern ein Kunstwerk beflecke. »Streckt die Waffen in dem Bewußtsein, daß eure Mühen nicht vergessen werden. Eines Tages werde ich euch am Hofe Ambers besingen!«
Die Männer – neun große rothäutige Gestalten und drei Pelzwesen – weinten, als sie die Waffen niederlegten.
»Habt keine Sorge, daß etwa der Kampf um die Stadt verloren sei«, fuhr ich fort. »Wir sind lediglich in einer Schlacht unterlegen, der Krieg geht anderswo weiter. Mein Bruder Bleys kämpft sich in diesem Augenblick auf Amber zu. Caine wird sein Versprechen halten und euch verschonen, wenn er sieht, daß ich zu Bleys an Land gegangen bin. Es tut mir nur leid, daß ich euch nicht mitnehmen kann.«
Mit diesen Worten zog ich Bleys´ Trumpf aus dem Kartenspiel und hielt ihn vor mich, im Schutz der Reling, wo die Karte vom anderen Schiff aus nicht gesehen werden konnte.
Als Caine anlegte, rührte sich etwas unter der kalten, kalten Oberfläche.
»Wer?« fragte Bleys.
»Corwin«, sagte ich. »Wie geht es dir?«
»Wir haben die Schlacht gewonnen, dabei aber viele Männer verloren. Wir ruhen uns gerade aus, ehe wir weitermarschieren. Wie stehen die Dinge bei dir?«
»Ich glaube, wir haben fast die Hälfte von Caines Flotte vernichtet, doch er hat den Tagessieg errungen. Er ist im Begriff, uns zu entern. Hilf mir fliehen!«
Er streckte die Hand aus, und ich berührte sie und sank ihm in die Arme.
»Das wird nun schon langsam zur Gewohnheit«, brummte ich und bemerkte jetzt, daß er ebenfalls verwundet war – am Kopf – und daß sich eine Bandage um seine linke Hand zog. »Mußte das falsche Ende eines Säbels anfassen«, erklärte er, als er meinen Blick bemerkte. »Tut ganz schön weh.«
Als ich langsam wieder zu Atem kam, gingen wir zu seinem Zelt, wo er eine Flasche Wein aufmachte und mir Brot, Käse und etwas getrocknetes Fleisch vorsetzte. Er hatte noch reichlich Zigaretten, und ich qualmte vor mich hin, während ein Sanitätsoffizier meine Wunden versorgte.
Er hatte noch immer etwa hundertundachtzigtausend Mann hinter sich. Während ich auf einer Hügelkuppe den Beginn des Abends erlebte, hatte ich das Gefühl, über jedes Lager zu schauen, das ich je in meinem Leben gesehen hatte, ein Lager, das sich über endlose Meilen und Jahrhunderte erstreckte. Plötzlich spürte ich Tränen in den Augen, vergossen für die armen Kreaturen, die nicht wie die Herren von Amber sind, die nur eine kurze Lebens-spanne haben und dann zu Staub werden; ich beweinte den Umstand, daß so viele dieser Wesen wegen unserer Launen auf den Schlachtfeldern der Welt den Tod finden mußten.
Schließlich kehrte ich in Bleys´ Zelt zurück, und wir leerten eine Flasche Wein um die andere.
7
In dieser Nacht erhob sich ein heftiger Sturm. Das Toben
des Windes ließ auch nicht nach, als sich die Morgendämmerung bemühte, die Handfläche der Welt in Silber zu tauchen, und dauerte während unseres ganzen Tagesmarsches an.
Es ist sehr entmutigend, im Regen zu marschieren, noch dazu in einem kalten Regen. Oh, wie habe ich den Schlamm gehaßt, durch den ich immer wieder gewandert bin – jahrhundertelang, wie mir scheinen will!
Wir suchten einen Schatten-Weg, auf dem es nicht regnete, doch was wir auch anstellten, wir kamen nicht weiter.
Wir konnten nach Amber marschieren, doch wir kamen nicht darum herum, daß uns dabei die Kleidung am Leibe klebte, daß uns der Trommelwirbel des
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