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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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den königlichen Besucher wieder hinaus.
    Nachdem
der Prinz und seine Männer abgezogen waren und die Mönche einer nach dem
anderen von dem Turm herabzuklettern begannen, fiel Osgar plötzlich etwas ein.
    »Eigentlich
müsste ich nach Dyflin hinuntergehen, um die Trauung meiner Cousine
vorzunehmen«, teilte er dem Abt mit, »aber ich nehme an, dass sie angesichts
der derzeitigen Verhältnisse wohl verschoben wird.«
    »Das
ist ohnehin völlig ausgeschlossen«, entgegnete der Abt fröhlich, »solange du
das Buch nicht vollendet hast.«
    »Dann«,
meinte Osgar, »werde ich ihr eine Nachricht schicken müssen.«
    Caoilinn
erhielt die Nachricht kurz bevor die Tore von Dyflin geschlossen wurden. Sie
war zunächst außerstande, ihm irgendeine Antwort zu senden, denn sie saß in der
Stadt wie in einer Falle. Sie hatte aber in diesem Sommer auch kaum noch an
Osgar gedacht, zu viele andere Dinge hatten sie beschäftigt.
    Es
war der 7. September, das Fest des heiligen Ciaran, als König Brian an der
Spitze eines in Munster und Connacht ausgehobenen Heeres vor den Mauern von
Dyflin eintraf. Die Verteidiger von Dyflin machten keinerlei Versuch, sich in
einer Schlacht zu stellen; stattdessen verstärkten sie mithilfe eines großen
Kontingents von Männern aus Leinster die Befestigungswälle und –palisaden der
Stadt und machten dem Hochkönig von Munster somit das Eindringen in die Stadt
unmöglich. Brian Boru prüfte eingehend die Verteidigungsanlagen und lagerte
seine Armee in den hübschen Obstgärten rings um die Stadt. »Wir werden sie
aushungern«, erklärte er. »Und in der Zwischenzeit werden wir ihre Ernte einholen
und ihre Äpfel aufessen, während sie uns dabei zusehen müssen.« Und so tat es
die belagernde Armee, während die warmen Herbstwochen allmählich in einen
ebenso milden Oktober übergingen.
    In
Dyflin musste sich Caoilinn unterdessen eingestehen, dass das Leben recht
eintönig war. In den ersten Tagen hatte sie einen Angriff erwartet. Dann hatte
sie angenommen, dass der König von Dyflin oder die Häuptlinge von Leinster auf
irgendeine Art versuchen würden, den Feind zu zermürben. Aber nichts
dergleichen geschah. Der König und die großen Männer verschanzten sich zumeist
in der Königshalle, die Beobachtungsposten hielten auf den Wällen einsam Wache.
Täglich exerzierten die Männer auf dem offenen Marktplatz in der Westecke der
Stadt lustlos ein wenig mit ihren Schwertern und Speeren; die übrige Zeit
verbrachten sie beim Würfelspiel oder Saufen. So ging es tagein, tagaus, Woche
für Woche zu .
    Die
Lebensmittelvorräte hielten bestens. Der König hatte Voraussicht bewiesen und,
noch bevor die Belagerung begann, große Mengen an Kühen und Schweinen in die
Stadt gebracht. Die Kornspeicher waren gefüllt. Die Brunnen innerhalb der Stadt
lieferten reichlich Wasser. So konnte man wahrscheinlich monatelang die
Stellung halten. Nur ein wichtiger Teil des gewohnten Speiseplans von Dyflin
fehlte: es gab keinen Fisch. Brians Männer waren wachsam. Wenn es jemand bei
Tage oder bei Nacht wagte, einen Fuß vor die Verteidigungsanlagen zu setzen und
im Fluss seine Netze auszubringen, so war die Wahrscheinlichkeit gering, dass
er je wieder zurückkehrte. Natürlich konnte auch kein Boot den Hafen ansteuern
oder verlassen.
    Jeden
Tag trat Caoilinn auf die Festungswälle hinaus, wo sich ihr ein sonderbarer
Anblick bot – der Holzquai und der Fluss waren menschenleer und verlassen. Wenn
sie in Richtung Flussmündung blickte, konnte sie auf der Nordseite des Wassers
an der Stelle, wo ein kleiner Fluss namens Tolka in den Liffey mündete, ein
Dutzend Masten sehen. Dort hatte Brian seine Langschiffe ankern lassen und in
Clontarf, einem kleinen Fischerdorf ganz in der Nähe, einen Kommandoposten
stationiert. Die Langschiffe blockierten auf wirkungsvolle Art den Hafen und
hatten bereits Dutzende von Handelsschiffen, die einzulaufen versuchten, zur
Umkehr gezwungen. Nie zuvor war ihr bewusst gewesen, wie sehr das Leben in der
Stadt von der Ankunft von Schiffen abhängig war. Die unendliche Stille hatte
etwas Gespenstisches. Sie wanderte auch zur Südseite der Wälle und warf einen
Blick in Richtung ihres Zuhauses in Rathmines.
    Ihr
ältester Sohn Art war es gewesen, der darauf bestanden hatte, dass sie und die
jüngeren Kinder bei ihrem Bruder in der größeren Sicherheit von Dyflin Schutz
suchten, während er in Rathmines blieb. Das war wohl ein Fehler. Sie hatte das
sichere Gefühl, dass sie mindestens ebenso gut,

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