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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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außer sich vor
Zorn gewesen. »Was immer ihre Gründe gewesen sein mögen«, hatte sie erklärt,
»so hatte sie auf alle Fälle keinen Grund, so grausam zu sein.« Und bald wurde
Morann klar, dass sein Freund zutiefst verletzt worden war. Er hatte sich sogar
gefragt, ob er Caoilinn nicht selbst einen Besuch abstatten sollte. Aber Harold
hatte so unerbittlich geklungen, als er sagte, die Affäre sei zu Ende, dass
Morann zu dem Schluss gelangt war, nichts mehr daran ändern zu können.
    »Es
wäre ein Jammer, all das, was sie aufgebaut hat, zu zerstören«, sagte der
Norweger.
    »Du
bist ein wahrhaft edelmütiger Mann«, staunte Morann.
    Als
er König Brian die Sache vortrug, war dieser zu seiner Erleichterung nicht
erzürnt, sondern eher amüsiert. »Das ist der Ostmann, der meinem Soldaten in
Dyflin einen Schlag über den Schädel versetzt hat? Und nun will er das Landgut
einer Dame retten?« Der König schmunzelte. »Männer, die ein großes Herz haben,
sind rar, Morann. Und die muss man sich warm halten.« Er nickte zustimmend.
»Was für ein Ort ist dieses Rathmines, und wo liegt es genau?«
    Morann
beschrieb ihm Caoilinns Anwesen und ihr ansehnliches Herrenhaus. Es liege, so
erklärte er, ganz in der Nähe von Dyflin und verfüge über eine große Viehherde.
»Das Vieh«, warf Brian ein, »dürfte inzwischen aber längst in den Bergen
versteckt sein.«
    »Wo
Eure Leute es früher oder später finden werden«, entgegnete Morann.
    »Zweifellos.«
Brian nickte nachdenklich. »Sehr gut«, fuhr er nach einer kurzen Pause begeistert
fort. »Ich werde selbst in Rathmines bleiben. Der Besitz wird mich und meinen
persönlichen Haushalt versorgen. Je schneller mir Dyflin übergeben wird, desto
früher ziehe ich wieder ab und desto mehr wird vom Viehbestand dieser Dame
übrig sein. Das sind meine Bedingungen, Morann. Bist du mit ihnen
einverstanden?«
    »Ja,
das bin ich«, sagte der Kunstschmied. Und er ritt mit Harold voraus, um das
Haus in Rathmines zur Aufnahme des hohen Gastes bereitzumachen. Caoilinns Sohn
war nicht gerade entzückt, Brian Boru in sein Haus aufzunehmen, aber er konnte
den Vorzug dieses Handels erkennen. »Du kannst es Harold danken, wenn du am
Ende dieser Geschichte noch ein Stück Vieh besitzt«, meinte Morann.
    Brian
behielt Morann fast bis Ende Oktober bei sich in Rathmines. Während dieser Zeit
hatte Morann Gelegenheit, sich ein Bild vom Verhalten des großen Kriegsherrn zu
machen – von seinem geordneten Lager, seinen bestens ausgebildeten Männern,
seiner Geduld und seiner Entschlossenheit. Dann schickte Brian ihn mit verschiedenen
Botschaften zum König von Tara zurück.
    »Dieses
Spiel wird am Ende sicher friedlich ausgehen«, meinte er zu dem Kunstschmied,
als dieser aufbrach. Aber Morann war sich da nicht so sicher.
    * * *
    An einem kalten,
grauen Tag im Dezember traf ein Reiter an den Toren von Glendalough ein. Über
seiner Schulter hing eine leere Lederschatulle, die er vor dem Abt auf den
Tisch legte. »Ich komme, um das Buch abzuholen.«
    »Zu
unserem größten Bedauern«, erklärte der Abt mit einiger Verlegenheit, »ist es
noch nicht ganz fertig. Aber wenn es fertig ist, wird es eine Pracht sein.«
    »Zeigt
es mir«, sagte der Bote.
    Osgar
hatte hart gearbeitet. Gegen Ende Oktober hatte er das Pergament vorbereitet,
Format, Umfang und Seiteneinteilung des Buches festgelegt und in vollendeter
Handschrift die gesamten Evangelien kopiert. Als Nächstes kamen die verzierten
Großbuchstaben, die Initialen dran. Für jede von ihnen hatte er entsprechend
große Stellen frei gelassen, und in den ersten zehn Tagen im November entwarf
er ein Schema: Während jeder Buchstabe unterschiedlich behandelt würde, sollten
sich bestimmte Details – manche rein geometrischer Art, andere in der Form von
Schlangen, Vögeln oder stilisierten menschlichen Figuren – auf eine raffinierte
Weise wiederholen oder einander ergänzen und auf diese Art dem Ganzen eine
verborgene, vielfach in sich gespiegelte Einheit verleihen. Und schließlich
sollte es noch vier ganzseitige Buchmalereien geben. Für drei dieser Seiten
hatte er bereits rohe Skizzen und wusste, wie sie sich zusammenfügen würden;
aber die vierte sollte anspruchsvoller werden.
    Gegen
Mitte November war Osgar mit dem Zeichnen und Kolorieren der Großbuchstaben
bereits ein gutes Stück weit vorangekommen, und am Ende des Monats hatte er
mehr als ein Dutzend fertig, und als der Abt die Arbeit inspiziert hatte, hatte
er sich höchst zufrieden

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