Die Prinzen Von Irland
völlig überrascht wurde, war noch dabei, in
aller Hast nach ihren Schilden und Waffen zu greifen. Einer von ihnen hatte
Morann eine Streitaxt in die Hand gedrückt, und der Kunstschmied postierte sich
schützend vor dem König. Osgar hatte überhaupt keine Waffe und kam sich nackt
und hilflos vor.
Die
Wikinger kamen näher und näher. Osgar konnte bereits das Hufgetrampel hören. Er
sah, wie die Garden sich dicht zur Mauer schlossen. Plötzlich erscholl ein
Klirren, so laut, dass ihm fast das Herz stehen blieb, als ein Wikingerschwert
auf einen in die Höhe gereckten Schild drosch. Dann sah er die Wikingerhelme –
drei von ihnen, vier, fünf. Sie wirkten riesenhaft, fast übernatürlich groß,
während sie bedrohlich über die Schildwand ragten. Nun sausten ihre Streitäxte
nieder. Er sah, wie sich eine Axt über den Rand eines Schildes hakte, ihn
niederriss und ein Schwert sich im selben Moment durch die Lücke in den Bauch
des Verteidigers rammte, worauf dieser aufschrie und sich in einer sprudelnden
Blutlache wälzte. Ein weiterer Leibgardist fiel, dann noch einer, und beide
krümmten sich auf dem Boden und schlugen im Todeskampf vor Schmerzen ihre Zähne
ins Gras. Die Wikinger hatten die Mauer durchbrochen. Drei von ihnen, zwei mit
Streitäxten, einer mit einem Schwert, stürzten direkt auf ihn zu. Zu seinem
Entsetzen war er außerstande, sich zu rühren, wie in einem Traum. Er sah, wie
Morann tapfer seine Axt erhob und gegen einen Wikinger mit einem Narbengesicht
schwang. Mit einem blitzschnellen Schwung wich der Wikinger dem Schlag aus,
während sein Kumpan, ein schwarzhaariger, leicht dunkelhäutiger Kerl, flink
vorsprang und Morann ein riesiges Schwert mit blauer Klinge dicht unter dem
Herzen zwischen die Rippen stieß. Osgar hörte seine Rippen knacken, dann sah
er, wie Morann in die Knie sank und seine Axt ihm direkt vor die Füße fiel.
Mechanisch stemmte der dunkle Kerl einen Fuß gegen Moranns Schulter, zog das
Schwert aus seiner Brust, der Schmied sackte nach vorn, dann mit dem Gesicht
auf den Boden. Osgar sah, wie sein Körper noch leicht zuckte, während er sein
Leben aushauchte.
Die
Wikinger hielten einen Augenblick inne. Sie stierten Osgar und Brian Boru an.
Osgar
hatte den König eine Weile nicht beobachtet. Zu seiner Überraschung bemerkte
er, dass Brian noch in der gleichen Haltung zusammengesunken auf seiner Bank
saß, wo sie miteinander gebetet hatten. An der Rückseite des Sitzes lehnte ein
Schwert, aber Brian hatte sich nicht die Mühe gemacht, danach zu greifen. Bis
zu diesem Moment hatte sich Osgar, gelähmt vor Angst, nicht von der Stelle
gerührt; doch nun, im Angesicht des Todes, befiel ihn nicht Entsetzen, sondern
ein unerwarteter Zorn. Er würde sterben, und niemand, nicht einmal Brian Boru,
der Kriegerkönig, würde auch nur einen Finger für ihn rühren. Die Axt, die
Morann entfallen war, lag vor seinen Füßen. Er wusste kaum, was er tat, als er
sie mit einem Schwung ergriff.
Die
Schildmauer war zusammengebrochen. Auch die übrigen Wikinger drangen nun in den
Kreis; der Mann mit dem Narbengesicht war offenbar ihr Anführer, denn alle
hielten sich hinter ihm. Dann zeigte der dunkle Kerl mit seinem Schwert auf
Brian und sagte: »König.«
Der
Anführer blickte von Osgar zu Brian, schüttelte den Kopf.
»Nein,
Sigurd. Priester.«
»Nein,
Brodar.« Sigurd deutete mit seinem Schwert auf Brians weißen Bart und grinste.
»König.«
Nun
kam Brian plötzlich in Bewegung. Erstaunlich gewandt griff er im Sitzen über
den Kopf nach hinten und packte das Schwert; und fast im selben Moment sauste
es nach vorn und schlug Brodar ins Bein. Der Wikingerhäuptling brüllte auf und
schmetterte dem greisen König mit einem wuchtigen Schwung seine Streitaxt ins
Genick, zertrümmerte ihm das Schlüsselbein und schlug ihm eine klaffende Kerbe
in die Schulter. Brian geriet ins Schwanken, Blut quoll ihm aus dem Mund, und
er sank mit weit aufgerissenen Augen neben Osgar auf die Knie.
Und
nun sprang Sigurd mit seinem breiten, zweischneidigen Schwert hinzu. Irgendwo
hinter dem schwarzhaarigen Wikinger hörte Osgar wieder jemanden »Priester«
rufen, aber er nahm es kaum wahr. Als er auf Osgar zutrat, grinste er sonderbar.
Osgar hielt sich krampfhaft die Axt vor die Brust und wich zurück. Langsam hob
Sigurd die Klinge seines Schwerts und hielt sie ihm vor das Gesicht.
Osgar
erzitterte. Gleich würde er sterben. Sollte er den Tod wie ein christlicher
Märtyrer hinnehmen? Früher hatte er es nicht
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