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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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fertig gebracht, sich zum Töten zu
überwinden. Aber jetzt? Selbst wenn er die Axt erheben würde, um sie Sigurd in
den Schädel zu schlagen, würde der dunkelhaarige Pirat ihm dieses Furcht
erregende Schwert in den Brustkorb rammen.
    Als
Osgar zögerte, trat Sigurd, ohne die Streitaxt auch nur im Geringsten zu
beachten, noch zwei Schritte näher an den Mönch heran, senkte das Schwert so
weit, bis die flache Klinge sanft Osgars Wade streichelte, und näherte sein
Gesicht so dicht dem seinen, dass sich fast ihre Nasen berührten. Er starrte
Osgar kalt und drohend in die Augen. Osgar fühlte, wie die Schwertklinge an
seinem Bein langsam aufwärts fuhr. Großer Gott, gleich würde der Pirat sie ihm
mit furchtbarer Wucht in den Bauch stoßen. Gleich würde er seine eigenen
Gedärme herausquellen sehen. Der Mönch spürte kaum, wie ihm eine warme Nässe an
den Beinen herablief.
    Und
dann riss Sigurd, der Pirat, plötzlich ohne Vorwarnung seinen Mund so mächtig
auf, als würde er ihn gleich beißen, und brüllte ihm einen gewaltigen,
blutrünstigen Kriegsschrei ins Gesicht. »Aarrgh! Aarrgh!«
    Und
noch bevor Sigurd den Fluch zum dritten Mal ausstieß, hatte sich Osgar
umgedreht und die Flucht ergriffen. Er rannte so schnell er konnte davon, mit
nassen Beinen und mit vor Entsetzen zu Eis erstarrtem Gesicht. Er hörte nicht
einmal, wie die Männer hinter ihm in röhrendes Gelächter ausbrachen, sondern
rannte nach Norden, fort von Sigurd, fort von der Schlacht, weit fort von
Dyflin. Er hielt erst inne, als er atemlos und keuchend den Rand der Ebene der
Vogelscharen erreicht hatte und bemerkte, dass ihm niemand gefolgt und rings um
ihn her alles still war.
    * * *
    Brodar blutete
entsetzlich; Brians Schlag hatte ihm fast das Bein abgeschlagen. Unten am
Wasser hatten die Männer des Munster–Königs noch nicht bemerkt, was mit diesem
geschehen war, aber es gab keine Zeit zu verlieren.
    Sigurd
sah sich um. Als Brodar auf die Schildmauer um den König gezeigt hatte und die
Führung des Stoßtrupps übernahm, hatte Sigurd angenommen, der Kriegsherr sei
auf Beute und Plünderung aus. Auf alle Fälle war es das, wonach Sigurd
trachtete. Morann hatte ein goldenes Armband getragen und einige Münzen bei
sich gehabt. Im Nu hatte Sigurd sich diese Dinge eingesteckt. Brian Boru hatte
eine prächtige Fibel an seiner Schulter getragen. Rechtens hätte sie Brodar
zugestanden, aber Brodar war nicht mehr in der Lage, sie sich zu nehmen. Also
löste Sigurd sie rasch und ließ sie verschwinden. Die anderen Krieger des
Trupps nahmen sich, was sie finden konnten. Einer hatte sich einen kostbaren
Damastumhang geschnappt. Ein anderer hatte die Pelze an sich gerissen, auf
denen der alte König gesessen hatte. Ein Dritter hatte ein kleines Buch mit
illustrierten Evangelien aufgehoben, das zu Boden gefallen war. Er hatte verächtlich
die Achseln gezuckt, hatte es aber trotzdem in seine Tasche gesteckt, da er
annahm, dass es einigen Wert haben musste.
    »Es
wird Zeit, dass wir aufbrechen«, sagte Sigurd.
    »Was
ist mit Brodar?«, fragte einer seiner Männer.
    Sigurd
warf einen Blick auf Brodar. Der untere Teil seines Beins hing nur noch an
einem Knochenstück und Fleischgewebe. Das Gesicht des Kriegsherrn war aschfahl
geworden.
    »Lasst
ihn liegen, er wird verrecken«, meinte er. Es war zwecklos, zu versuchen, nach
Dyflin zurückzukehren, aber einige der Langschiffe würden vermutlich auslaufen,
an der Küste entlangsegeln und nach Überlebenden suchen. »Ich treff’ euch am
Strand nördlich von Howth«, sagte er. »Wenn ihr ein Langschiff findet, haltet
es dort bis zum Einbruch der Nacht fest.«
    »Und
wo gehst du hin?«
    »Ich
hab’ noch was zu erledigen«, sagte Sigurd geheimnisvoll.
    Es
war nur ein kurzer Fußmarsch bis zu den Zelten des Munster–Lagers, und dort gab
es, wie Sigurd wusste, jede Menge Pferde. Das Lager war gut bewacht, weshalb er
sich möglichst unauffällig anschleichen musste; aber bald entdeckte er ein
Pferd, das an einem Pfahl angebunden war, band es los und führte es lautlos
fort. Wenige Augenblicke später jagte er im Galopp nach Norden. Er setzte
seinen schweren Eisenhelm ab und hängte ihn sich an seinem Kinnriemen über den
Rücken. Die kalte Brise, die ihm ins Gesicht wehte, fühlte sich erfrischend an.
An einem Bach hielt er an und saß einen Moment lang ab, um seinen Durst zu
löschen. Dann ritt er in gemächlichem Schritt weiter. Es würde noch einige
Stunden lang hell bleiben. Und dank seiner Informanten in

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