Die Prinzen Von Irland
er hier war, war klar. Nichts
interessierte ihn so wenig wie die Frage, ob Munster oder Leinster, Boru oder
Brodar gewann. Er war nicht hierher gekommen, um zu sterben, sondern um zu
kämpfen und dafür bezahlt zu werden; und der Mann, der ihn bezahlte, war
Brodar. Wenn der narbengesichtige Krieger in dem Wald in Deckung ging, dann
würde Sigurd ihm folgen.
* * *
Harold beobachtete
aufmerksam das Geschehen. Er glaubte abzusehen, wie die Sache ausgehen würde.
Er
war im Morgengrauen losgeritten und hatte sich an einer Stelle postiert, von
der aus er das Lager des Königs von Tara und weiter unten bei Clontarf die
Schlacht überblicken konnte. Er war voll bewaffnet und hatte einen klaren Plan
gefasst. Falls die O’Neill–Armee, in der seine Söhne sich befanden, in die
Schlacht auszurücken begann, würde er hinunterreiten und sich ihnen
anschließen. Und falls Brians Armee in Bedrängnis und Morann in Gefahr geriet,
würde er trotz seines Versprechens zu ihm reiten und ihm beistehen.
Den
ganzen Vormittag lang hatte er zugesehen. Der König von Tara hatte sich nicht
von der Stelle gerührt. Wie üblich hatte der clevere Morann also den Gang der
Dinge richtig vorausgesehen. Obwohl bisher keine der beiden Frontlinien an
Boden verloren hatte, bemerkte Harold Anzeichen dafür, dass Brian die Oberhand
gewann. Er hatte gesehen, wie sich einer der wikingischen Kriegsherren bereits
heimlich verdrückte. Die Reihen der Leinstermänner lichteten sich, und obwohl
beide Seiten sichtlich langsamer wurden, besaß Brian in der dritten Linie immer
noch Reserven an frischen Truppen. Ja, die Leinstermänner verloren allmählich
an Boden.
Er
konnte jetzt nach Hause zurückzukehren. Harold wandte sein Pferd um. Er hatte
nicht die geringste Ahnung, dass an einer bestimmten Stelle hinter den Linien
der Leinster–Armee Caoilinn ebenfalls gespannt beobachtete, wie sich die
Schlacht entwickelte.
* * *
»Sie verlieren an
Boden«, murmelte Morann.
»Noch
ist nichts entschieden.« König Brians Stimme klang gelassen. Er hatte sich
erhoben, stand nun neben dem Kunstschmied und ließ den Blick über die Schlacht
schweifen.
Die
Wolkendecke hatte Risse bekommen, hie und da erhellten die schräg einfallenden
Strahlen der Nachmittagssonne den Boden, und in dem fahlgelben Leuchten sah das
Feld vor ihnen an manchen Stellen fast wie eine verkohlte Landschaft nach einem
Waldbrand aus. Aber in der Mitte wogte die große Masse der Schlacht noch in
vollem Gang. Der Vorteil war auf ihrer Seite, das stand außer Frage, aber es
war ein erbitterter Kampf.
Jetzt
erfasste das Sonnenlicht unweit des Zentrums ein goldenes Banner. Der
Standartenführer von Brians Sohn hielt es hoch. Manchmal bewegte sich das
Banner von einer Seite des Gefechts zur anderen. Morann spürte, dass Brian
unverwandt auf dieses goldene Wappen starrte. Von Zeit zu Zeit ließ er ein
zustimmendes Grunzen vernehmen.
Plötzlich
entstand eine mächtige Woge, als sich ihm ein anderes Banner von der Gegenseite
näherte. Der Standartenführer von Brians Sohn hatte diese Bewegung offenbar
bemerkt und stürzte gleichfalls in diese Richtung. Dann entstand ein Geschrei,
ein kurzes Gebrüll, als die beiden Banner sich fast zu berühren schienen.
Morann hörte, wie Brian durch die Zähne pfiff, dann heftig Atem holte. Es
folgte eine lange Pause, als würde die gesamte Kampflinie den Atem anhalten.
Dann erscholl von der anderen Seite gewaltiger Jubel, darauf ein Aufstöhnen von
der Seite der Munstermänner. Und plötzlich stürzte die goldene Standarte wie
eine erlöschende Flamme zu Boden und war nicht mehr zu sehen.
Brian
Boru sagte kein Wort. Er starrte unverwandt geradeaus, versuchte zu erkennen,
was in dem Getümmel geschah. Die Standarte seines Sohns lag im Dreck, und
niemand hatte sie wieder aufgerichtet. Das konnte nur eines bedeuten. Entweder
war sein Sohn tot oder so schwer verwundet, dass er keine Überlebenschancen
mehr hatte. Langsam wandte sich der alte Mann um, kehrte wieder zu seinem Platz
zurück und setzte sich. Sein Kopf sank nach vorn. Alle schwiegen.
Unten
in der Kampflinie sah es dagegen so aus, als hätte der Verlust ihres Anführers
die Armee mit dem besessenen Wunsch beseelt, ihn zu rächen. Die Kämpfer
stürmten vor. Einen kurzen Moment gelang es dem Feind, Widerstand zu leisten,
aber schon bald fiel er zurück, erst eine Abteilung der Linie, dann die nächste
und so fort, bis die gesamte Front zusammenbrach und alles in Richtung
Flussmündung und Tolka
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