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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Schritt haltend, ritt Sigurd langsam vorwärts. Wie weit war er
noch vom Tor des Hofs entfernt? Osgar versuchte sich zu erinnern. Er wagte sich
nicht umzublicken. Konnte er es schaffen, bis dorthin zu sprinten? Aber
vielleicht schloss Caoilinn gerade das Tor, sperrte ihn mit Sigurd aus?
Plötzlich bemerkte er, dass der Pirat mit ihm redete.
    »Hau
ab, Mönch. Du bist nicht der, der mich interessiert.« Sigurd grinste. »Die
Person, nach der ich trachte, befindet sich auf diesem Hof.« Er winkte ihn
fort. »Hau ab, Mönch, los, und zwar schnell.«
    Aber
Osgar dachte nicht daran. Denn Caoilinn war dort drinnen. Mit tiefer
Verbitterung schoss ihm plötzlich wieder jener elende Tag in den Sinn, als er
Morann allein nach Dyflin hatte gehen lassen, der Caoilinn gerettet hatte.
Damals hatte er versagt, als es zuzuschlagen galt. Genau wie in den meisten
Momenten des Lebens hatte er sich für seine Berufung zum Mönch entschieden
anstatt für Caoilinn. Und nun würde sich dieser Teufel, dieses Ungeheuer, auf
sie stürzen. Sie vielleicht vergewaltigen? Sie umbringen? Jetzt war die Zeit
gekommen. Er musste töten. Er musste diesen Wikinger töten oder wenigstens bei
dem Versuch der Gegenwehr sein Leben opfern. So entsetzlich seine Angst vor
Sigurd war, begann sich in ihm doch der Kampfgeist seiner Ahnen zu regen. Er
schrie laut nach Caoilinn hinter sich: »Schließ das Tor«, trat einen Schritt
zurück, schwang die Axt hoch über den Kopf und versperrte den Weg.
    Langsam
und bedächtig stieg Sigurd von seinem Pferd. Er machte sich nicht die Mühe,
wieder seinen Helm aufzusetzen, sondern zückte sein zweischneidiges Schwert. Er
hatte nicht die Absicht, sich mit dem Mönch zu streiten, aber Osgar stand ihm
nun einmal im Weg. Würde dieser Narr tatsächlich zuschlagen? Der Mönch stand in
falscher Haltung da. Sein Gewicht war so verteilt, dass es nur zwei
Möglichkeiten gab: Entweder reagierte Sigurd mit einer Finte, und Osgar würde
die Axt niederfahren lassen, dabei aber nur ins Leere treffen und sich
wahrscheinlich selbst das Bein abhacken. Wenn er sie nicht niedersausen ließ,
würde Sigurd nur einen flüchtigen Sprung zur Seite machen und dem Mönch das
Schwert mitten in die Seite rammen. Alles wäre vorbei, bevor die Axt auch nur
die Hälfte ihres Wegs zurückgelegt hätte. Osgar wusste es noch nicht, aber er
war des Todes. Zumindest sobald er versuchte, zu kämpfen.
    Aber
würde er das tun? Sigurd ließ sich Zeit. Langsam hob er die Klinge seines
Schwerts und hielt sie Osgar ins Gesicht, wie er es schon einmal getan hatte.
Der Mönch zitterte wie Espenlaub. Sigurd stand zwei Schritte entfernt vor ihm.
Plötzlich stieß er seinen Kampfschrei aus. Osgar zuckte zusammen, ließ beinah
die Streitaxt fallen. Sigurd trat noch einen Schritt vor. Der arme Tor von
Mönch war so verängstigt, dass er die Augen schloss. Im Hoftor hinter ihm
konnte Sigurd letzt eine dunkelhaarige Frau mit kreidebleichem Gesicht
erkennen. Recht hübsches Ding, wer immer sie war. Er maß die Entfernung. Nicht
einmal eine Finte war vonnöten. Er umfasste sein Schwert zum Stoß.
    Und
just in diesem Moment sah er Harold außen um den Hofzaun biegen.
    Osgar
hatte ein einziges, flüchtiges Stoßgebet zum Himmel gesandt, hatte einen Spalt
weit die Augen geöffnet, hatte gesehen, wie der Pirat einen winzigen Moment
lang seinen Blick in eine andere Richtung lenkte, und da wusste er, dass Gott
ihm trotz all seiner Sünden eine Chance gewährt hatte. Er schlug mit aller
Macht zu. Er schlug zu für Caoilinn, die er liebte, er schlug zu für sein
zauderndes Leben, seine versäumten Chancen, seine nie verwirklichte
Leidenschaft. Er schlug zu, um seiner Feigheit und seiner Schande ein Ende zu
setzen. Er schlug zu, um Sigurd zu töten.
    Einen
winzigen Moment lang war dieser durch das Auftauchen seines Erzfeindes
abgelenkt worden, hatte sich der Pirat nicht in Acht vor dem Mönch genommen,
und dann war es zu spät. Das Axtblatt durchschlug den Knochen seines Schädels,
spaltete ihn unter grauenhaftem Knacken, zerschmetterte sein Nasenbein und
zertrümmerte seine Kiefer und grub sich mit einem dumpfen Aufschlag ins Genick.
Die ungeheuere Wucht des Schlags zwang den Körper in die Knie. So kniete er
einen Moment lang da wie ein wunderliches Geschöpf mit einer Axt als Kopf und
ihrem Griff als ellenlang herausragender Nase, während Osgar ungläubig
anstarrte, was er vollbracht hatte. Dann kippte der Rumpf nach vorn.
    Harold,
der gerade von einem nahe gelegenen Feld kam,

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