Die Prinzen Von Irland
bange
Augenblicke, da der Händler ihn nicht nur ein, sondern zwei Mal bat, er möge
den Namen seines Vaters wiederholen. Während Peter die Röte in sich aufsteigen
spürte, schien sich der Mann – wenn auch nicht mit großem Interesse – daran zu erinnern,
wer sein Vater war, und fragte ihn, wie er ihm behilflich sein könne.
Der Händler hieß
Sigurd Doyle, was auf den keltischen Namen Dubh Gail zurückging – »der dunkle
Fremde« –, den man in Bristol wie »Doyle« aussprach. Sein Vater war ein
»Ostmann« gewesen, ein Däne, der nach Irland gekommen war.
Der dunkle Fremde:
Genau das war er. Dunkel und schweigsam, wenn auch recht gastfreundlich. Peter
hatte ein ganzes Zimmer neben der Halle für sich allein. Er sprach mit Peter,
wie er es mit jedem Edelmann oder vermögenden Kaufmann tun würde, im
normannischen Französisch. Doch er sprach wenig und lächelte nie. Vielleicht
weil er Witwer war, dachte Peter. Vielleicht wäre er besser gelaunt, wenn seine
verheirateten Töchter ihn besuchten oder seine Söhne von ihren Geschäften aus
London heimkehrten.
Am ersten Vormittag
zeigte Doyle ihm den Hafen. Sie besuchten sein Lagerhaus, waren auf zweien
seiner Schiffe. Am Ende des Tages hatte Peter eine Menge über den Hafen, über die
Organisation der Stadt mit ihren Höfen und den Aldermen, den Ratsherren, sowie
über den Handel mit anderen Häfen von Irland aus zu den Mittelmeerländern
gelernt. Doch er war auch zu dem Schluss gekommen, dass man sich vor diesem
Mann ein wenig in Acht nehmen musste.
Ein kleiner
Zwischenfall an jenem Abend hatte seinen Eindruck verstärkt. Er und der
Kaufmann hatten sich gerade in der großen Halle niedergelassen, und die Diener
brachten das Essen herein, als ein junger Mann, der ungefähr sein Alter hatte,
hereintrat und sich, nachdem er sich respektvoll verbeugt hatte, ein wenig
entfernt hinsetzte. Doyle, der dem jungen Mann kurz zugenickt und Peter
zugeraunt hatte: »Er arbeitet für mich«, nahm nicht weiter Notiz von ihm. Dem jungen
Mann, der seine Kappe nicht vom Kopf gezogen hatte, wurde ein Pokal Wein
serviert, der aber nicht nachgefüllt wurde; und da sein Gastgeber ihn weiterhin
ignorierte und der junge Mann nicht ein einziges Mal aufsah, wusste Peter nicht,
wie er ihn ansprechen sollte. Kaum hatte der junge Mann aufgegessen, verließ er
den Raum; er sah niedergeschlagen aus. Ich sähe wohl auch niedergeschlagen aus,
würde ich für Doyle arbeiten, dachte Peter.
Als er sich dann
später am Abend in sein Zimmer zurückgezogen hatte, hörte
er ihre Stimmen draußen im Hof. Es war Doyles Stimme, leise und bedrohlich, die
da etwas murmelte, was er nicht verstand, und dann auf Französisch: »Du bist
ein Narr. Das kannst du niemals zurückzahlen.«
»Ich bin völlig in
Eurer Hand.« Das war die Stimme eines gehetzten und klagenden jungen Mannes.
Das musste der junge Kerl sein, den er am Abend gesehen hatte. Es folgte ein harsches
Gemurmel von Doyle. Die Worte waren nicht zu verstehen, aber sie klangen
bedrohlich. »Nein!«, rief der junge Mann. »Tut das nicht, ich bitte Euch! Ihr
habt es versprochen.«
Danach gingen sie
weg, und Peter hörte nichts mehr. Doch eines war ihm klar: Doyle war ein
dunkler Zeitgenosse, aus dessen Dunstkreis man möglichst rasch verschwinden
sollte.
Am nächsten Morgen
überraschte ihn Doyle mit der Ankündigung, er solle sein Pferd satteln, seine
Waffen nehmen und ihn zu einem Exerzierplatz in der Nähe des östlichen Stadttors
begleiten. Dort übten sich bereits einige Waffenmänner im Fechten, und nach
wenigen Worten von Doyle durfte Peter sich zu ihnen gesellen. Der Kaufmann sah
ihm eine Weile zu, bevor er sich leise von dannen machte und ihn später allein
den Heimweg finden ließ.
Als er Doyle am Abend
wieder traf, sagte dieser: »Es geht das Gerücht von einem Feldzug. Nach
Irland.«
* * *
Seit den Zeiten von Brian Boru war es
niemandem gelungen, ganz Irland zu unterwerfen. Dabei hatte es nicht an
Versuchen gemangelt. Alle großen regionalen Dynastien, auch Leinster und Brians
Enkel aus Munster, unternahmen solche Versuche. Die alten O’Neills hielten
immer nach einer Möglichkeit Ausschau, ihren früheren Ruhm wiederzuerlangen. Im
Augenblick forderte die Dynastie der O’Connors aus Connacht das Hochkönigtum
für sich. Doch niemand hattewirklich die Oberhand
gewonnen, und die Chroniken von damals fanden eine griffige Formel, um die
Position der meisten dieser Monarchen zu beschreiben: »Hochkönig, mit
Opposition.« Während
Weitere Kostenlose Bücher