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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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einmal
unsicher, wie er sich verhalten sollte. Das Mädchen tat nichts von alledem, was
andere Mädchen taten. Sie kam ihm weder zu nahe noch streifte sie ihn flüchtig
mit der Hand. Wenn sie ihn anblickte, dann nur mit einem arglosen Lächeln. Sie
war freundlich; sie war herzlich. Er wollte seinen Arm um sie legen. Aber er
tat es nicht. Als sie den Rath erreicht hatten, sagte er, er müsse nun wieder
aufbrechen.
    War
eine Spur von Enttäuschung in ihrem Gesicht zu lesen? Vielleicht ein winziger
Hauch. Hoffte er, dass es so wäre? Ja, er spürte, dass er es hoffte.
    »Auf
Eurem Rückweg kommt Ihr wieder hier vorbei«, sagte sie. »Das nächste Mal
solltet Ihr ein wenig länger bei uns verweilen.«
    »Ja,
das werde ich«, versprach er. »Schon bald.« Dann rief er nach seinem Wagen und
fuhr von dannen.
    * * *
    Als Fergus an jenem
Abend nach Hause kam und Deirdre ihm erzählte, dass ein Reisender
vorbeigekommen war, erwachte sofort seine Neugier. »Was für eine Art
Reisender?«, wollte er wissen.
    »Einer,
der auf dem Weg nach Süden war. Er ist nicht lange geblieben.«
    »Und
du hast nichts über ihn herausgefunden?«
    »Er
sei zu Lughnasa in Carmun gewesen, hat er gesagt.«
    »Genau
wie halb Leinster auch«, entgegnete er.
    »Er
hat gesagt, er hätte uns dort gesehen«, meinte sie vage, »aber ich konnte mich
nicht an ihn erinnern.« Der Gedanke, einem Fremden nicht nur einmal, sondern
gleich zweimal zu begegnen und immer noch nicht zu wissen, was er so trieb, war
für ihren Vater so unverständlich, dass er sie nur wortlos anstarren konnte.
»Ich habe ihm Bier gegeben«, sagte sie strahlend. »Vielleicht kommt er wieder.«
Und bei diesen Worten hatte sich ihr Vater zu ihrer Erleichterung abgewandt,
hatte seinen Lieblingsplatz bei seinem Trinkschädel eingenommen, sich in seinen
Mantel gewickelt und zum Schlafen niedergelegt.
    Deirdre
war danach jedoch noch eine geraume Weile wach geblieben, hatte die Knie an ihr
Kinn gezogen und so dagesessen und an den vergangenen Tag zurückgedacht.
    An
jenem Morgen war sie stolz auf sich gewesen. Als sie Conall nahen sah, hatte
sie zuerst unwillkürlich nach Luft geschnappt und dann gefühlt, wie ihr die
Knie zu zittern begannen. Sie hatte ihre ganze Konzentration und Willenskraft
zusammennehmen müssen. Aber als Conall den Eingang erreicht hatte, war sie
wieder vollkommen gefasst gewesen. Sie war nicht rot geworden. Und sie hatte
die ganze Zeit, während er geblieben war, ihre Fassung behalten. Aber hatte sie
ihm auch genug Ermutigung gegeben, um wiederzukommen? Der Gedanke, sie könnte
ihm die Lust dazu genommen haben, war sogar noch schrecklicher als der, sich
vielleicht töricht benommen zu haben. Als sie zu dem Teich gegangen waren,
hatte sie sich gefragt: Soll ich ihn berühren? Aber sie dachte: lieber nicht.
Sie glaubte, dass sie sich richtig verhalten hatte. Aber wie sehr hätte sie
sich gewünscht, dass er auf dem Rückweg seinen Arm um sie legte.
    Nur
eines wusste sie: Je länger ihr Vater nicht roch, woher der Wind wehte, desto
besser.
    Und
warum interessierte sie sich eigentlich so sehr für diesen schweigsamen und
gedankenverlorenen Fremden? Weil er ein Prinz war? Nein, das war nicht der
Grund.
    Es
war eine alte Tradition, dass der Hochkönig ein vollkommener Mensch zu sein
hatte. Er durfte keinen Makel haben. Jeder kannte die Geschichte von Nuadu, dem
sagenhaften König der Götter. Als er im Kampf eine Hand verloren hatte, war er
von seiner Königsherrschaft zurückgetreten. Dann hatte man ihm eine Hand aus
Silber hergestellt, die sich schließlich in eine natürliche Hand
zurückverwandelte. Erst dann konnte Nuadu Silberhand wieder König sein. Genauso
war es, wie man glaubte, auch mit dem Hochkönig. War der Hochkönig nicht
vollkommen, dann würde er den Göttern missfallen. Dann würde die Königswürde
ein Fluch treffen, sie wäre vernichtet.
    Deirdre
hatte das Gefühl, dass dieser gut aussehende Krieger, der, wie ihr schien,
gezögert hatte, sie auf dem Lughnasa–Fest kennen zu lernen, diese königlichen
Qualitäten besaß. Sein Körper war ohne Makel – das hatte sie mit eigenen Augen
gesehen. Aber was ihn vor allem von den anderen abhob, war seine nachdenkliche
Art, das Zurückhaltende, ja sogar Geheimnisvolle und Schwermütige, das seine
Person umgab. Dieser Mann war etwas Besonderes. Er war nicht für eine beliebige
gedankenlose und grobschlächtige Frau geschaffen. Und er war bis nach Dubh Linn
gekommen, um sie zu sehen. Dessen war sie sich sicher.

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