Die Prinzen Von Irland
Beltaine, waren die zwei
wichtigsten Festtage auf dem keltischen Kalender. Das keltische Jahr war in
zwei Hälften – in Winter und Sommer, Dunkelheit und Licht – geteilt, und diese
beiden Feste bildeten ihre Berührungspunkte. Zu Samhain begann der Winter, zu
Beltaine endete er, und der Sommer übernahm die Herrschaft. Die Nacht vor
diesen beiden Festen war eine besonders unheimliche Zeit, denn in dieser Nacht
trat der Kalender in eine Art Zwischenzustand, in dem er außer Kraft gesetzt
wurde, da es weder Winter noch Sommer war. Der Winter, die Jahreszeit des
Todes, trat mit dem Sommer, der Jahreszeit des Lebens, die Unterwelt mit der
Oberwelt in Berührung. Geister gingen um, die Toten mischten sich unter die
Lebenden. Es waren Nächte sonderbarer Begegnungen und flüchtiger Schatten –
geradezu Furcht einflößend zu Samhain, da sie einen zum Tode führten; zu
Beltaine jedoch weniger beängstigend, denn im Sommer hatte die Geisterwelt nur
schelmische Streiche und erotische Spielereien im Sinn.
Goibniu
liebte das Beltaine–Fest. Er mochte zwar nur ein Auge haben, aber in jeder
anderen Hinsicht war er ein ganzer Mann. Während er zusah, wie die Menschen von
allen Seiten herbeiströmten, befiel ihn heftige Vorfreude und Erwartung. Wie
lange schon hatte er nicht mehr die Wärme einer Frau gespürt?
* * *
Gegen Abend hatten
sich Tausende von Menschen in dem rosigen Dämmerlicht versammelt und warteten
auf den Aufstieg. Die muntere Weise eines Pfeifers tanzte um den Fuß des
Hügels, die Luft knisterte vor Erwartung.
Deirdre
beobachtete, wie ihre Brüder Büschel aus grünem Laub trugen. Ein altes Weib,
das ihnen die grün belaubten Reiser überreichte, hatte sie gefragt, ob sie auch
vorhätten, sich für diese Nacht ein paar Mädchen zu suchen. Deirdre hatte
nichts dazu gesagt. Am Ende dieser Nacht, wenn alle reichlich getanzt und
gesoffen hatten, würde es im Schutz der Dunkelheit zu allen möglichen
unerlaubten Paarungen kommen. Junge Liebespärchen, reifere Ehefrauen, die ihren
Männern entwischt waren, Männer, die ihre Gemahlin kurz im Stich gelassen
hatten. So war es stets zur Maienzeit. Aber Deirdre selbst hatte als
unverheiratete Tochter eines Häuptlings auf ihren Ruf zu achten. Sie durfte
sich nicht die Freiheiten der Hofmägde oder Sklavenmädchen herausnehmen. Aber
ihr Vater? Sie blickte ihn neugierig an. Da sie in Kürze das Haus verlassen und
heiraten würde, wie sie vermutete, würde Fergus niemanden mehr haben, der ihm
den Haushalt besorgte. Würde er vielleicht das Beltaine–Fest dazu nutzen, eine
Frau für sich zu finden?
Ihr
Blick schweifte über die Menge. Irgendwo unter all diesen Menschen befand sich
auch Conall. Sie hatte ihn noch nicht entdeckt; aber sie wusste, dass er dort
sein musste. Er war nicht gekommen, um nach ihr zu suchen. Sie hatte gesehen,
dass der Hochkönig mit großem Gefolge anwesend war; wenn der Prinz sie zu sehen
wünschte, brauchte er sich nur auf die Beine zu machen. Wenn nicht… Dann konnte
sie auch nicht mehr länger warten. Ihr Bräutigam war bereits unterwegs, und man
konnte ihm keine Abfuhr erteilen.
Vielleicht
begehrte Conall sie, aber nur so, wie es in der Mainacht üblich war, und mehr
nicht. Würde er vielleicht an sie herantreten, ihr eine Liebesnacht anbieten
und sie danach wieder ihrem Schicksal überlassen? Nein. Dafür war er zu
vornehm. Aber was war, wenn er in der Nacht auf dem Hügel wirklich zu ihr kam?
Was war, wenn er plötzlich wie ein Geist an ihrer Seite auftauchte? Sie
berührte? Sie im Dunkel mit seinen Blicken fragte? Was würde geschehen, wenn
Conall… Würde sie mit ihm gehen? Würde sie sich ihm hingeben wie ein
Sklavenmädchen? Was für ein Gedanke!
Als
die Sonne unterging, begann die Menge den Hügel hinaufzuströmen. Im selben
Augenblick wurden überall auf der Insel ähnlich heilige Hügel wie dieser
bestiegen. In der Beltaine–Nacht hielt die ganze Gemeinschaft gemeinsam Wache,
um sich gegen die bösen Geister zu schützen, die in dieser magischen Nacht
umgingen. Die Geister stahlen den Menschen die Milch, gaben ihnen wunderliche
Träume ein, verzauberten sie und führten sie vom rechten Weg ab.
* * *
Wie seltsam Conalls
Gesicht im Schein der Sterne wirkte. Einen Moment lang, dachte Finbarr bei
sich, sah es so hart und fest wie der fünfeckige Stein aus, der nur vierzig
Schritt weit entfernt in der Mitte des Hügelgipfels stand. Konzentrierte man
sich noch eine Weile länger auf dieses Antlitz, so könnte man meinen, es
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