Die Prinzen Von Irland
würde
sich auflösen und mit der Dunkelheit verschmelzen. Konnte Conalls Gesicht
einfach zerschmelzen? Nein. Dieser Eindruck kam nur von dem schwach funkelnden Schimmer
des Sternenlichts auf dem Tau, der sich auf all ihren Gesichtern bildete.
Schon
bald würden sie die ersten Anzeichen der Dämmerung erkennen. Dann kam das
Sonnenaufgangsritual und danach, bei vollem Tageslicht, die große Zeremonie mit
den Beltainefeuern. Aber noch war es Nacht. Selten hatte Finbarr den Himmel so
klar gesehen, die Sterne strahlten aus der schwarzen Finsternis; die Ebene
rings um den Hügel war mit einem dünnen Schleier von Bodennebel bedeckt, dem
das Sternenlicht einen zarten Schimmer verlieh, so dass der Hügel von Uisnech
mit seinem aufragenden Menhir auf einer Wolke in der Mitte des Kosmos zu stehen
schien.
»Ich
hab sie gesehen«, sagte er leise, so dass nur Conall es hören konnte.
»Wen?«,
fragte Conall.
»Du
weißt nur zu gut, dass ich Deirdre meine.« Finbarr hielt inne, aber da von
Conall keine Reaktion kam, fuhr er fort: »Sie ist dort drüben.« Und er zeigte
in eine Richtung zu seiner Rechten. Conall hatte den Kopf gewandt, so dass sein
Gesicht nun im Schatten lag. »Willst du sie nicht sehen?« In dem langen
Schweigen, das darauf folgte, bewegten sich nur die Sterne weiter, aber Conall
gab keine Antwort. »Du weißt, dies sind die letzten Tage«, flüsterte Finbarr.
»Ihr Bräutigam wartet bereits. Willst du denn gar nichts dagegen unternehmen?«
»Nein.«
»Solltest
du es ihr nicht sagen?«
»Nein.«
»Du
bist also nicht interessiert an ihr.«
»Das
habe ich nicht gesagt.«
»Du
bist einfach zu kompliziert für meinen Verstand, Conall.« Finbarr sagte nichts
mehr, aber er fragte sich: War dies irgendeine sonderbare Selbstverleugnung, in
die sein Freund sich da verstieg, wie Krieger oder Druiden es zuweilen taten?
War es das Zögern, die Angst, die die meisten jungen Männer befällt, wenn sie
vor eine Verpflichtung gestellt sind? Oder war es etwas anderes? Warum trieb
Conall dieses Mädchen bewusst einem anderen Mann in die Arme? Es kam Finbarr
ungeheuerlich vor. Aber er konnte zumindest versuchen, seinem Freund zu helfen.
Er konnte es zumindest versuchen.
* * *
Inzwischen war die
Hälfte des Himmels bleich erhellt. Die Sterne begannen zu verblassen. Entlang
des Horizonts zeigte sich ein goldenes Glühen.
Der
Hochkönig beobachtete es gebannt. Bei Morgendämmerungen wie dieser konnte er
noch heute eine innere Erregung spüren, als sei er wieder ein junger Mann. Aber
seine Gedanken kreisten ausschließlich um jene ernsthafte Angelegenheit, die
ihn schon die ganze Nacht hindurch beschäftigt hatte. Sein Entschluss stand
bereits seit einiger Zeit fest. Er hielt seinen Plan für vollkommen. Nur ein
einziges Element, ein kleines, aber bedeutendes, fehlte noch, bevor er ihn in
die Tat umsetzen konnte.
Zuerst
einmal musste natürlich eine gute Ernte erzielt werden. Er hatte den Druiden
großzügig Geschenke, Schmeicheleien, Respektsbeweise überbracht. Die Priester
würden also auf seiner Seite sein, auch wenn man ihnen nicht zu sehr vertrauen
konnte, denn sie waren eitel.
Dann
musste er seine Autorität wieder herstellen. Den schwarzen Stier zu rauben,
wäre ein guter Anfang, da hatte seine Gemahlin Recht. Aber es war mehr als nur
eine Demonstration der Macht vonnöten. Ein König musste geachtet, ein Hochkönig
musste gefürchtet werden und undurchschaubar sein wie ein Gott.
Die
Zeit war reif, um dort zuzuschlagen, wo seine Feinde es am wenigsten
erwarteten, und er wusste genau, wie er vorgehen würde. Ihm fehlte nur ein
einziger Mosaikstein, um ihn an die richtige Stelle zu setzen – nur noch eine
einzige Person, für die er sich noch nicht entschieden hatte. Und wer weiß,
vielleicht würde er diese Person heute finden.
* * *
Conall hatte den Rest
der Nacht über kein Wort gesagt. Mochten seine Motive für Finbarr auch
undurchsichtig sein, so waren sie für ihn selbst äußerst klar.
Seine
Hauptsorge war der Rinderraub. Als Larine vor einiger Zeit mit ihm gesprochen
hatte, hatte er ihm versichert, dass der Hochkönig in der Sache noch keine
Entscheidung getroffen und dem Druiden versprochen hatte, zuerst mit seinem
Neffen persönlich zu sprechen. Wochenlang hatte er ängstlich darauf gewartet,
dass sein Onkel ihn auf das Thema ansprechen würde, was aber nicht geschah. Er
vermutete, dass die Pläne des Hochkönigs sich geändert hatten. Und das
zunehmende Gefühl der Erleichterung, das er darüber
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