Die Prinzen Von Irland
verstehen, »haben oft kein einfaches Leben.« Aber ihm wurde schnell
klar, dass derlei Warnungen ihr nichts bedeuteten.
Warum
hatte er sich also nicht gemeldet? Das konnte alle möglichen Gründe haben. Aber
als er sah, wie sehr sich seine Tochter insgeheim grämte, befiel Fergus immer
wieder ein Gedanke: Wer war denn schuld, dass Conall nicht erschien? Weder der
Prinz noch Deirdre, sondern er selbst. Denn warum sollte ein Prinz wie Conall
die Tochter des Fergus heiraten? Dazu gab es überhaupt keinen Grund. Wenn er
ein mächtiger Häuptling wäre, wenn er Reichtümer besäße dann sähe die Sache
anders aus. Aber er besaß nichts dergleichen.
Andere
Männer der Insel, die auf keine berühmteren Ahnen zurückblicken konnten als er,
hatten sich an den großen Raubzügen beteiligt oder waren zum Kampf ausgezogen
und hatten sich auf diese Weise Reichtum und Ruhm erworben. Aber was hatte er
getan? Er war stets in Dubh Linn geblieben, hatte über die Furt gewacht, hatte
Reisende in seinem Haus bewirtet und unterhalten.
Genau
dies hatte mit zu seinen Sorgen beigetragen. Wer in seinem Haus einkehrte,
wurde würdig empfangen und bewirtet. Fergus hatte keine Bedenken, eine Sau oder
sogar eine Kuh zu schlachten, um einem Gast ein reichliches Mahl vorzusetzen.
Der alte Barde, der ihm fast jeden Abend seine Geschichten und Verse vortrug,
wurde großzügig bezahlt. Die Familien von den abgelegenen Gehöften, die ihn
ihren Häuptling nannten, erhielten in seinem Haus immer eine gute Mahlzeit; und
wenn sie mit dem bescheidenen Tribut an Vieh oder Fellen, den sie ihm
schuldeten, im Rückstand waren, vergaß er diese Schulden oft großzügig. Die
Häufung dieser bescheidenen Bezeugungen seines Status, die ihm zur
Aufrechterhaltung seiner Würde so wichtig erschienen, hatten in den letzten
Jahren dazu geführt, dass Fergus Schulden machen musste, die er seiner Familie
verschwieg. Bisher hatte ihn sein Viehbestand noch immer aus der Not gerettet.
Er dankte den Göttern für sein ausgeprägtes Talent als Viehhändler. Aber seine
Sorgen machten ihm – insbesondere nach dem Tod seiner Frau – immer mehr zu
schaffen.
Was
bin ich denn noch?, fragte er sich. Ein Mann, der auf seine Tochter stolz ist.
Sie wird mir einen beachtlichen Preis einbringen. Und habe ich etwas
vollbracht, worauf sie stolz sein könnte? Kaum. Und nun hatte sie sich auch
noch in einen Mann verliebt, der sie wegen ihres Vaters nicht heiraten würde.
Nie
verlor sie ein Wort über ihren Kummer. Sie ging ihren täglichen Arbeiten nach
wie immer. Manchmal, vor dem Mittwinter, hatte er sie sehnsüchtig über die eisigen
Wasser an der Furt blicken sehen. Einmal war sie hinüber zur Landzunge
gewandert, um nach der kleinen Insel zu sehen, die sie so sehr liebte. Aber
gegen Ende des Winters hatte sie für nichts mehr einen Blick.
»Du
bist noch blasser als eine Schneeflocke«, sagte er eines Tages zu ihr.
»Schneeflocken
schmelzen einmal – ich nicht«, antwortete sie. »Oder hast du Angst«, fragte sie
plötzlich mit bitterem Humor, »ich könnte mich vor meinem Hochzeitstag in
nichts auflösen?« Und als er den Kopf schüttelte, meinte sie: »Das Beste wäre,
du brächtest mich zu meinem Gemahl nach Ulster.«
»Nein«,
sagte er sanft, »noch nicht.«
»Conall
kommt ja doch nicht.« Sie klang resigniert. »Ich sollte dankbar sein für den
braven Mann, den du für mich gefunden hast.«
Du
solltest für gar nichts dankbar sein, dachte er bei sich. Aber laut sagte er:
»Noch ist genügend Zeit.«
Ein
paar Vormittage später verkündete er Deirdre und ihren Brüdern, dass er für ein
paar Tage fort sein werde. Ohne weitere Erklärungen schwang er sich auf sein Pferd
und ritt über die Furt davon.
* * *
Finbarr hörte
aufmerksam zu, als Conall ihm die Sache mit dem Rinderraub erzählte und wie er
sich dabei fühlte. Dann schüttelte er staunend den Kopf.
»Das
ist der Unterschied zwischen uns beiden, Conall«, meinte er. »Ich bin ein armer
Mann aus dem Volk. Was würde ich nicht alles geben für eine solche Chance! Und
du, ein Prinz, musst gegen deinen eigenen Willen gewaltsam zum Ruhm gezerrt
werden.«
»Du
solltest diesen Raub anführen, Finbarr, und nicht ich«, entgegnete Conall. »Ich
werde es meinem Onkel vorschlagen.«
»Mach
das nicht«, bat Finbarr. »Das würde mir nur Probleme bescheren.« Und nach einer
Pause blickte er Conall neugierig an und fragte freundlich: »Gibt es nicht noch
etwas anderes, was du auf dem Herzen hast?«
Anfang
Winter war ihm
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