Die Prinzen Von Irland
die Verwandlung im Verhalten seines Freundes aufgefallen. Zwar
war Conall von Natur aus immer leicht trübsinnig gewesen, aber als er ständig
die Stirn zu runzeln, seine Lippen zusammenzupressen und ziellos in die Ferne
zu starren begann, war Finbarr klar geworden, dass etwas passiert sein musste.
Als Conall ihm nun von dem Stier erzählte, nahm er daher an, dass dies die
heimliche Sorge gewesen war, die seinen Freund niedergedrückt hatte. Aber als
er fragte: »Seit wann weißt du das?«, und der Freund antwortete: »Seit zwei
Tagen«, wusste er, dass Conalls Anwandlungen von Trübsinn noch eine andere
Ursache haben mussten. »Bist du sicher, dass du nicht noch etwas auf dem Herzen
hast?«
»Ja,
ganz sicher«, sagte Conall.
In
diesem Moment kam eine hoch gewachsene und unvertraute Gestalt auf sie zu.
Fergus
hatte einige Tage gebraucht, um das Lager des Hochkönigs zu finden, aber als er
es erreicht hatte, hatte ihm sofort ein Mann den Weg zu Conall gewiesen. Mit
heimlicher Bewunderung musterte er den hübschen Prinzen und seinen gut
aussehenden Gefährten.
»Seid
gegrüßt, Conall, Sohn des Morna«, sagte er feierlich. »Ich bin Fergus, Sohn des
Fergus, und ich habe Euch etwas unter vier Augen zu sagen.«
»Es
gibt nichts, was mein Freund Finbarr nicht hören dürfte«, sagte Conall ruhig.
»Es
geht um meine Tochter Deirdre«, begann Fergus, »die Ihr in Dubh Linn mit Eurem
Besuch beehrt habt.«
»Nun
ja – das will ich lieber doch allein hören«, sagte Conall rasch, und so verließ
Finbarr die beiden. Er hatte mit Erstaunen bemerkt, dass sein Freund errötet
war.
Fergus
brauchte nicht lange, um Conall alles über Deirdre zu erzählen. Als er darauf
zu sprechen kam, wie sehr sie ihm in Liebe zugetan sei, machte der junge Prinz
ein schuldbewusstes Gesicht; als er ihm erklärte, welches Angebot Goibniu
eingefädelt hatte, erbleichte Conall. Fergus bedrängte den verwirrten jungen
Mann nicht, sich auf die eine oder andere Art zu erklären, sondern stellte
lediglich fest:
»Sie
wird nicht vor dem Beltaine–Fest vergeben. Aber danach muss sie vergeben
werden.« Und mit diesen Worten schritt er wieder von dannen.
* * *
Insgeheim musste
Finbarr lächeln. Conall war also den ganzen Weg bis zur Liffey geritten, um
dieses Mädchen wiederzusehen, das er ihm am Lughnasa–Fest vorgestellt hatte.
Darüber also hatte sein Freund die ganze Zeit gegrübelt. Wenigstens einmal
verhielt sich dieser rätselhafte Prinz wie ein ganz normaler Mann. Also bestand
noch Hoffnung.
»Ich
glaube«, sagte Finbarr mit einigem Vergnügen, »dass du dringend meinen
Ratschlag brauchst.« Er blickte ihm streng in die Augen. »Begehrst du dieses
Mädchen wirklich?«
»Vielleicht.
Ich glaube schon. Ich weiß es selbst kaum.«
Beltaine.
Das war Anfang Mai.
»Dir
bleiben nur noch zwei Monate«, gab ihm Finbarr zu bedenken, »um dir darüber
klar zu werden.«
4
Goibniu grinste. Über
die ganze Landschaft verstreut sah er kleine Menschengruppen – manche zu Pferde
oder in Reisekarren, aber zumeist eine Herde Vieh antreibend – dem Hügel
entgegenziehen, der sich in der Mitte der Ebene erhob.
Uisnech
– das Zentrum der Insel.
Eigentlich
besaß die Insel zwei Mittelpunkte. Der königliche Hügel von Tara, der nur eine
kurze Tagesreise weiter östlich lag, war das politische Zentrum. Aber das
geographische Zentrum des Landes befand sich hier in Uisnech. In einem
gewaltigen Hagelschauer hatten sich, so ging die Sage, von Uisnech aus die
zwölf Flüsse der Insel gebildet. Manche nannten ihn den Nabel der Insel – den
kreisrunden Hügel in der Mitte.
Während
Tara der Hügel der Könige war, galt Uisnech als der Hügel der Druiden, das
religiöse und kosmische Zentrum der Insel. Hier lebte die Göttin Eriu, die der
Insel ihren Namen gab. Hier hatte, sogar noch bevor die Tuatha De Danann ins
Land kamen, ein mystischer Druide das erste Feuer entzündet, dessen Glut
anschließend zu jedem Herd auf der Insel gebracht wurde. Auf Uisnech befand
sich in einer verborgenen Höhle die heilige Quelle, die das Wissen aller Dinge
enthielt. Auf dem Gipfel des Hügels stand der fünfseitige so genannte Stein der
Unterteilungen, um den herum die heiligen Treffpunkte der fünf Königreiche der
Insel lagen. In diesem kosmischen Zentrum pflegten die Druiden regelmäßig ihre
geheimen Sitzungen abzuhalten.
Auf
Uisnech fand jeweils am ersten Mai die große Versammlung von Beltaine statt. Samhain, das
ursprüngliche Halowe’en, sowie das Maifest, genannt
Weitere Kostenlose Bücher