Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
Gefühl, sich durch einen Wald geschlagen zu haben, zwischen dunklen Bäumen hindurch auf eine Lichtung. Es ist heller. Tariq hebt einen Arm, und die Luft um ihn herum fühlt sich geladen an, schwanger von drohendem Regen. Auf der anderen Straßenseite rennt ein Eichhörnchen mit einem halben Hotdog-Brötchen im Maul vorbei.
    »Jetzt komm«, sagt Tariq. Ein illegales Taxi hat am Straßenrand angehalten und verharrt gelähmt zu Tariqs Füßen wie ein riesiger nervöser Panther. »Los. Steig ein.«
    »Was machen wir denn jetzt?«, flüstert Alfredo.
    »Keine Ahnung«, sagt Tariq. Er haut Alfredo kräftig zwischen die Schulterblätter. »Aber dir fällt bestimmt was ein.«
    Die Brüder gleiten auf den Rücksitz. Aus dem Sprechfunkgerät am Amaturenbrett bellt jemand in der weit entfernten Leitstelle Befehle in brüchigem, unverständlichem Spanisch. Zumindest hört es sich wie Spanisch an, was eigenartig ist, hat der Fahrer doch einen Turban auf dem Kopf. Duftweihnachtsbäumchen aus Pappe – alle in Arktisch-Blau – hängen am Rückspiegel. Alle stecken noch in ihrer Plastikverpackung, einige sind leicht aufgerissen, andere hängen bereits an tieferliegenden Ästen, als wären die Duftbäumchen exotische Frauen in unterschiedlichen Stadien des Entkleidens.
    »Wohin?«, sagt der Fahrer.
    Alfredo fragt sich, ob der Typ wohl der Vater der beiden kleinen Inderinnen gestern im Park ist, die den Mister-Softee-Fahrplan auswendig kannten. Alfredo sagt Jackson Heights und sucht in den Augen des Mannes nach Hinweisen darauf, ob ihn diese Heimfahrt freut. Das Taxi setzt sich in Bewegung.
    »Hast du geglaubt, Baka wollte uns linken?«
    »Keine Ahnung. Aber selbst wenn er dir bisher nicht den Arsch auf links ziehen wollte, jetzt will er es ganz sicher.«
    »Oh, super. Danke.«
    »Keine Ursache«, sagt Tariq. Er zupft die Bieretikettfetzen von Alfredos T-Shirt. »Es ist wichtig zu wissen, wer deine Feinde sind, Dito. Falls dieser Shifrin-Typ hier der große Macher ist, wär’s gut, dass er handelt, solange er noch angepisst genug ist, um solo aufzukreuzen. Und du weißt jetzt, dass Baka ihn auf deine Fährte ansetzt.«
    »Er weiß nicht, wo wir wohnen«, sagt Alfredo.
    »Aber er weiß, wo du heute Abend sein wirst, richtig?«
    Das Taxi schlingert den Whitestone Expressway entlang. Da das Spiel der Mets lange vorbei ist, ist der Verkehr halb so wild. Vor ihnen glimmen lediglich vereinzelte Bremsleuchten auf. Der Fahrer beschleunigt, schneidet ein rivalisierendes gelbes Taxi, und beide Männer hauen auf die Hupe.
    Alfredo legt seinem Bruder den E-Beeper in die Hand. Er erklärt Tariq, was es damit auf sich hat. Willkommen zu Hause, sagt Alfredo, aber nicht laut. Willkommen zu Hause. Das ist mein Geschenk für dich.
    »Was würden wir dafür kriegen?«, sagt Tariq.
    Alfredo rundet auf: »Eins fünf.«
    »Das reicht nicht«, sagt Tariq und steckt den Beeper in die Hosentasche.
    Alfredo weiß nicht, was er erwartet hat, aber, na ja – er dachte, er wäre vielleicht erleichtert, etwas loszuwerden, das ihm bisher nichts als Unglück gebracht hat. Oder vielleicht das befriedigende Gefühl des Schenkens empfinden. Allermindestens hatte er sich darauf gefreut, die Raffiniertheit des Beepers zu demonstrieren und mithin die eigene, da er ihm auf die Spur gekommen war. Da ihm diese Freuden alle versagt geblieben sind, starrt Alfredo aus dem Fenster. An der Scheibe kleben zwei Sticker, einer mit dem Namen des Taxiunternehmens, Mexicana, der andere mit einem Warnhinweis: »Videoüberwachung – zu Ihrer eigenen Sicherheit«. Alfredo öffnet das Fenster einen Spalt breit und lässt sich vom Fahrtwind das Gesicht abhärten.
    Die Abteilung Kopfzerbrechen stopft Fragen über Fragen ins Rohrpostsystem. Tausendfünfhundert Dollar reicht nicht wofür? Sollte Alfredo getötet werden, wird dann allein der Anblick der vertrockneten Borsten seiner Zahnbürste bei Isabel einen hysterischen Anfall auslösen? Wer wird Papas Unterhose entsorgen? Die Abteilung wartet mit jeder Menge Jenseitsvorstellungen auf, aber am häufigsten ist die von einer schwarzen Kiste, in der die Dunkelheit einem den Mund ausfüllt wie Sand. Aber vielleicht existiert er ja auch als Geist weiter. Er fragt sich, ob er einmal Jahre später nachts in der Ecke eines Wohnheimzimmers schweben wird, wenn Christian Louis seinen Mitbewohnern total besoffen gesteht, dass er von seinem Vater nichts weiter habe als die paar Geschichten, die er von seiner Mutter kennt, und ein paar billige

Weitere Kostenlose Bücher