Die Prinzen von Queens - Roman
langen Schluck. Das Bier schmeckt kalt und ist dringend nötig. Er will der Frau danken, die es gebracht hat, aber nachdem sie die Rechnung und Bakas Erdbeermilch abgeliefert hat, ist sie gleich wieder verschwunden.
»Das war nett von ihr«, sagt Alfredo.
»Allerdings«, sagt Baka. Er nimmt den Strohhalm aus seinem Glas und schnippt ihn auf den Boden. »Die Leute mögen dich, Fredo. Du fragst Pierre, was zum Henker mit seinem Nacken los ist, und er regt sich nicht mal auf. Versucht sogar, es dir zu erklären. Du schnappst deinem Bruder die Freundin weg, schwängerst sie, und er guckt noch nicht mal böse. Na ja, er guckt ein bisschen böse, aber so guckt er immer. Oh, jetzt guckt er richtig böse. Ups. Was ist los? Du wusstest das nicht mit Dito und Isabel? Und ob du’s wusstest. Du weißt ja alles.« Baka beugt sich über sein Glas und schlürft den pinken Schaum ab. Zu Alfredo sagt er: »Es könnte die Kellnerin den Job kosten, dir ein Bier zu geben. Aber aus irgendeinem Grund mag sie dich. Hast so eine Art, nehm ich an. Und jetzt komm ich. Und tu dir meinerseits einen total dämlichen Gefallen. Ich hab ein Geschenk für dich, einen kurzläufigen Revolver, Kaliber 38, der perfekt in deinen Hosenbund passt. Ein herrliches Pistölchen. Und du wirst ihn nehmen. Die Quittung hab ich schon verloren.«
Alfredo hatte nie vorgehabt, zu denen zu gehören, die unbedingt eine Waffe haben wollen, geschweige denn brauchen. Er sieht zu Pierre, der formvollendet bowlt: vorgebeugt in der Hüfte, den linken Arm horizontal zum Körper, das rechte Bein ausgestellt, den Kopf gerade, die Finger gestreckt. Die Kugel rotiert die Bahn hinunter und haut bis auf einen alle Kegel um. Auf dem Bildschirm zeigt ein Pfeil auf Pierres Namen. Wenn Pierre für sich wirft, hagelt es Neuner, für alle anderen fabriziert er eine Pumpe nach der nächsten. Bescheißt in einem Wettkampf, an dem nur er teilnimmt. Er ist einer von der Sorte, denkt Alfredo, die zu einem Faustkampf einen Baseballschläger mitbringen würde.
»Wozu brauch ich denn eine Knarre?«, sagt Alfredo.
»Wozu braucht überhaupt jemand eine Knarre? Selbstverteidigung!« Baka spreizt die Beine auseinander, macht es sich für seine Geschichte bequem. »Der Junge, den du gestern ins Krankenhaus befördert hast? Sein Bruder hat bei mir durchgeklingelt. Fragt mich, wem ich in East Elmhurst Drogen verticke. ›Warum?‹, sag ich. ›Na ja‹, sagt er, ›ich bin da auf der Suche nach zwei schwarzen Jungs und einem Puerto Ricaner.‹ Sag ich: ›Machst du Witze? Das sind ja praktisch alle.‹ Sagt er: ›Der eine Schwarze langt zu wie ein Berserker, der andere trägt eine Spiderman-Kappe.‹ Merkst du, wie fixiert der Typ auf Schwarze ist? Würd ich mich ja drüber aufregen – na ja, stimmt nicht so ganz. Ich reg mich sogar auf, aber was will man machen? Ich sag ihm, einer der Jungs muss ein Hughes-Bruder sein. Und der andere ist Winston, da gibt’s keinen Zweifel. Ich sag zu ihm, Winston ist Haitianer und kein Afro-Amerikaner. Aber das kratzt ihn nicht. Jetzt will er was über den Puerto wissen. Ich sag zu ihm: ›Falls Winston dabei war, muss der Puerto Ricaner Alfredo Batista sein. Netter Kerl.‹ Siehst du? Hab ein gutes Wort für dich eingelegt. Na ja, vielleicht auch nicht. Wer kann sich schon an alles erinnern? Sagt der Typ daraufhin zu mir …«
»Wir reden hier über den Chemiker, richtig?«
»Chemiker?«, sagt Baka.
»Winston hat mir erzählt, der Bruder des Jungen ist Chemiker.«
»Winston hat dir das erzählt?«
O Gott. Winston? Winston verwendet Redewendungen wie »hinter schwedischen Geranien«, »Schlagsahne haben« und »auf Durchschuss schalten«. Er sagt »Eck-cetera«. Einmal hat er mit Alfredo um Geld gewettet, dass das Spielhallen-Wunderkind in »Pinball Wizard« ein tauber, stummer, schwarzer Junge sei. In der elften Klasse hat er während der Zwischenprüfungen die Schule verlassen, als er den Prüfungsbogen aufgeschlagen und mit einem flauen Gefühl im Magen gemerkt hat, dass er die Nacht davor das falsche Fach gepaukt hat. Dieser Winston also hatte Alfredo erzählt, Boris sei Chemiker und dass kein Grund zur Sorge bestünde, und Alfredo glaubte ihm, weil er ihm glauben wollte.
»Und wer«, fragt Alfredo, »ist Vladimirs Bruder?«
»Mike Shifrin«, sagt Baka triumphierend. »Er ist Drogenhändler.«
»Kenn ich nicht.«
»Na ja, als er gestern früh aufwachte, hatte er auch von dir noch nie gehört. Was an einem Tag nicht alles passieren kann,
Weitere Kostenlose Bücher