Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
den Zeigefinger in die Brust zu bohren und ihm vorzuwerfen, ihren Freund angeschwärzt zu haben, um abzusahnen. Als nun klar wurde, dass sie Alfredo lediglich wegen ein paar Informationen über Jose anzapfen wollte, war er erleichtert, obwohl die Erleichterung einen Beigeschmack von Enttäuschung hatte. In den folgenden Jahren hatte er versucht, den Ursprung dieser Enttäuschung zu benennen, und die sicherste Erklärung, die ihm einfiel, steckte in der Frage: ›Wer zum Teufel will schon mit einer schönen Frau über einen anderen Mann reden?‹ Aber genau das tat er. Er berichtete ihr, dass seine Mutter nach Fishkill gefahren war, mit dem Zug und so weiter, Jose sie aber gebeten hatte, nie wieder dorthin zu kommen. Davon, dass Lizette sich, nachdem sie wieder zu Hause war, im Badezimmer eingeschlossen hatte, erzählte er Isabel nicht. Er verschwieg ihr auch, dass er Joses Verhalten egoistisch und grausam gefunden habe, es aber wie immer zu seinen Gunsten ausgelegt hatte, möglicherweise war es seinem Bruder peinlich, und er wollte nicht, dass seine Mutter ihn hinter Plexiglas sah, in diesem orangefarbenen Anzug, oder was sie da eben anhatten.
    »Hast du denn von ihm gehört?«, fragt er sie, obwohl ihre Anwesenheit deutlich machte, dass dem nicht so war.
    »Meine Mutter, die Puta, hat irgendwas mit unserem Telefon gemacht«, sagte sie. »Man kann irgendwie keine R-Gespräche empfangen.«
    »Da ist ja Kacke«, sagte Alfredo.
    »Ja, oder? Du wirst nicht mal gefragt, ob du ein R-Gespräch annehmen willst oder nicht. Wenn er also irgendwie versucht, mich zu erreichen, würd ich es nicht mal erfahren.«
    »Hat er denn versucht, dich anzurufen, bevor deine Mutter am Telefon rumgefummelt hat?« Als sie keine Antwort gab, wusste Alfredo, dass er wohl besser nichts mehr sagen sollte, aber er hat schon immer Probleme damit gehabt, den Mund zu halten, genau wie er schon immer Probleme damit gehabt hat, die Fingerspitzen nicht gegen Wände mit »Frisch gestrichen«-Schildern zu drücken. »Aber geschrieben hat er dir doch wenigstens?«
    Ihr Gesicht verdunkelte sich. »Viel hat Jose nicht von dir erzählt«, sagte sie. »Ich erinnere mich bloß an eine Geschichte, wie euer Vater euch beide wegen einer Beerdigungsmasche in die Subway mitgenommen hat. Und du richtig krass angefangen hast zu heulen.«
    »Ach, wusstest du nicht? Bin eine echte Memme.«
    »Wird allmählich kälter hier draußen«, sagte Winston. Ruckartig wies er mit dem Daumen über die Schulter in Richtung Süßwarenladen. »Ich glaub, ich geh mal rein. Ist wärmer da. Und, na ja …«
    »Nicht so peinlich?«, sagte Isabel.
    »Genau.«
    Bevor die Tür hinter ihm zufiel, rann etwas von der Wärme drinnen auf den Gehsteig. Von der Markise hing ein Schild – Geldautomat im Laden –, und Alfredo verpasste ihm einen Schubs, um seiner Hand etwas zu tun zu geben.
    »Ich sollte mich vielleicht mal auf den Weg machen«, sagte sie.
    »Ich begleite dich nach Hause.«
    »Und enttäuschst alle Kunden?«, sagte sie und lachte. »Nein, schon in Ordnung. Ich wohn gleich um die Ecke.«
    »Mein Vater hat gesagt, dass um die fünfzig Prozent der Körperwärme über den Kopf abgegeben werden. Keine Ahnung, ob das stimmt. Tja. Hat er gesagt«, und damit reichte er ihr seine Wollmütze.
    Fünfzig Prozent waren vielleicht übertrieben, typisches Jägerlatein Marke Jose Sr., aber Mann: Ohne die Mütze spürte Alfredo, wie seine Körpertemperatur zum Sturzflug ansetzte. Und wärmer würde es nicht werden. Isabel betrachtete die Mütze in ihren Händen, als wäre sie ihr peinlich, und Alfredos Ohren liefen rot an bei dem Gedanken, noch etwas getan zu haben, das er nicht hätte tun sollen. Später sollte er feststellen, dass sie kleine Liebenswürdigkeiten einfach nicht gewohnt war. »Du musst sie nicht nehmen«, sagte er, »wenn du nicht willst.«
    Sie tauchte die Nase in die Wolle und roch daran. »Ihr riecht nicht gleich«, sagte sie. »Du und dein Bruder.«
    »Nicht?«
    »Nein. Du riechst ein bisschen muffiger.« Sie zog die Mütze auf. Sie lag so eng an, dass sie offenkundig Schwierigkeiten hatte, die Ohren unter die Wolle zu fummeln. Sie lächelte. Und als stünde sie im Supermarkt in der Obst-und-Gemüse-Abteilung und prüfte eine Melone, legte sie die behandschuhten Hände an seine Schläfen und drückte zu. »Du hast einen total kleinen Kopf«, sagte sie.
    »Danke.«
    »Tut mir leid«, sagte sie, noch immer lächelnd, und sah überhaupt nicht so aus.
    Sie ließ ihn stehen und trat

Weitere Kostenlose Bücher