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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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dahin kein Geld einnehmen, werde ich persönlich jedes dieser Arschlöcher auf die Straße treten.«
    A uf der anderen Straßenseite kehrt Officer Lopez mit Beute zurück. Drei Limos und drei Shish Kebab von dem Halal-Imbiss um die Ecke. Wer das Essen besorgt, darf auf der Beifahrerseite sitzen. Das sind die Regeln. Aber als Lopez am Türgriff zieht, schnappt der zurück, von innen verriegelt. Er verlagert Essen und Getränke in eine Hand. Zieht erneut am Handgriff, und wieder schnappt er zurück. Hinter den schwarzgetönten Scheiben des Wagens lachen sich Sergeant Wright und Officer Hutchison scheckig. Die beiden sind Fieslinge, und mit Fieslingen kennt Lopez sich aus. Vor ein paar Jahren, beim Bewerbungsgespräch an der Polizeiakademie, hatte er – zu seinem eigenen Leidwesen schon immer überehrlich (vgl. dazu auch die unnötige innereheliche Beichte, 1998) – auf die Frage, warum er Polizist werden wolle, geantwortet, man habe ihn als Kind immer gehänselt. Erst als der Fragesteller die Kappe seines Rotstifts abzog, wurde ihm klar, wie bescheuert die Antwort gewesen war. Er hätte genauso gut sagen können: Ich hab da ein paar Rechnungen offen, könnten Sie mir jetzt bitte meinen Revolver geben? Aber er hatte noch irgendwie die Kurve gekriegt, hatte irgendwelchen Bullshit erzählt, dass er wisse, wie es sei, keine Stimme zu haben und machtlos zu sein und, äh, entrechtet, ein Begriff, an den er sich aus einem Strafrechtsseminar am John Jay College erinnerte. Der Fragesteller steckte die Kappe wieder auf den Stift. Aus Ruben Lopez wurde Officer Lopez. Und jetzt ist er noch immer umgeben von Fieslingen, die sich scheckig lachen. Aber er braucht keinen Revolver und keinen Schlagstock, um mit den beiden fertig zu werden, nicht solange er das in der Hand hat, was in seinen Büchern über zwischenmenschliche Kommunikation »Kraft der Belohnung« genannt wird, die Verfügungsgewalt über hochgeschätzte materielle Güter.
    Er geht nach vorn, wo man ihn am besten sieht, und lehnt sich gegen die Motorhaube. Scharfe Sauce tropft ihm vom Handgelenk. Auf jedem Holzspieß steckt ein goldgelbes Brötchen. Lopez zieht es von einem der Kebabs ab und schmeißt es auf die Straße. Ein Geschenk an die Vögel, wenn sie morgen früh aufwachen. Als Nächstes wird er das Fleisch wegwerfen, es Stück für Stück vom Spieß ziehen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass dieses Shish Kebab – extra scharfe Sauce, extra Barbecue-Sauce, extra Zitronensaft – Wright gehört. Die Beifahrertür schwingt auf.
    Im Wagen teilt Lopez die Beute auf. Weil Wright und Hutchison Cola-Fans sind und auch Lopez manchmal selbst ein begnadeter Auf-den-Sack-Geher sein kann, gibt er beiden eine Dose Sunkist.
    »Komm schon!«, sagt Hutchison, den Mund voller Fleisch. Er ist der schwerere der beiden Fieslinge und der weniger gemeine. »Orangenlimo?«
    »Ja, tut mir leid«, sagt Lopez, während er seine Coke aufreißt. »Hätte dir auch eine mitgebracht, aber der Afghane hatte nur noch die.«
    Ganz zufällig ist Orange auch die Farbe des Tages.
    Vor den Shish Kebabs hatten Lopez, Hutchison und Wright Pizza gegessen (Pepperoni, Käse, sizilianisch), davor ein paar Arepa-Maisfladen von der Arepa-Frau auf der Roosevelt (Käse, Käse, Käse), hatten davor einen Abstecher ins Klischee riskiert und waren zu Dunkin’ Donuts gefahren (großer Kaffee, Boston-Kreme-Donut; großer Kaffee, Donut mit Marmelade; großer Kaffee, nichts weiter, da Wrights Alkoholabhängigkeit ihm schon vor langer Zeit den süßen Zahn gezogen hatte). Bei Dunkin’ Donuts waren sie diesem dürren kleinen Hispano-Welpen von Drogendealer vom Abend davor begegnet. Als sie auf ihn zugingen, machte sich auf seinem Gesicht ein Grinsen breit, und sie konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Kleine schon eine ganze Weile hier war, an einem Tisch am Fenster gesessen, an einer Coolatta genuckelt und gewartet hatte, bis sie aufkreuzten.
    »Wo ist Ringo?«, sagte der Junge.
    Während seine Partner in der Schlange auf ihren Kaffee warteten, setzte Lopez sich zu dem Dealer an den Tisch. Der Junge hatte richtig Gepäck unter den Augen, Hauttaschen, die aussahen, als würden sie weitere Hauttaschen verbergen, so wie gute Reisekoffer geheime Fächer mit Reißverschlüssen enthalten. Lopez schätzte den Jungen auf achtzehn, neunzehn, ein Wachstumsschub war überfällig, trotzdem wirkte er unfairerweise alt; wahrscheinlich war er eines dieser Babies gewesen, die schon erschöpft aussehen, wenn sie

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