Die Prinzen von Queens - Roman
Idee von mir«, sagte der Junge, ohne sich umzudrehen. »Ich wollte mit keinem von Euch sprechen. Sondern mit dem Habib.«
Officer Ramsaran – der vierte im Bunde, ihr Habib, ihr Ringo, wenn der Kleine so wollte – hatte sich den Abend freigenommen. Er hatte in der Wache angerufen, sich seinen Notfall-Tag genommen, und sich dann bei Lopez gemeldet und ihm die Einzelheiten erzählt. Bei ihm war eingebrochen worden. Was für jeden demütigend ist, für einen Gesetzeshüter aber besonders hart. Ich hätte sie so gern auf frischer Tat ertappt, sagte er mit zitternder Stimme. Er habe den Tag freigenomen, erklärte er, weil er selbst ein bisschen herumschnüffeln wolle, ohne behördliche Restriktionen oder Richtlinien. Er wolle die Nachbarn befragen, ob sie etwas gesehen hatten, in Zoogeschäften fragen, ob sie neue Kunden hatten, ein paar Zettel an Laternenpfähle kleben, die am nächsten Morgen sicher schon wieder abgerissen sein würden. Ich helfe dir, wo ich kann, hatte Lopez ihm versprochen. Officer Ramsaran, Golfkriegsveteran und seit zwölf Jahren auf der Dienststelle, war für ihn der Inbegriff des guten Polizisten, der er selbst werden wollte: kompetent, allseits respektiert, ein durch und durch netter Kerl, der allerdings auch – und das war eigentlich die Hauptsache – richtig unangenehm werden konnte, wenn es nötig war. Zum Beispiel letztes Jahr, als der Gewerkschaftsdelegierte anlässlich eines Tarifstreits die komplette Belegschaft zum Streik aufgerufen hatte. Auf dem kurzen Dienstweg. Streikposten oder handgemalte Plakate gab es nicht. Auf Gewaltverbrechen musste selbstredend reagiert werden – die Gewerkschaft wollte dem Chaos ja nicht Tor und Tür öffnen –, aber die Verhandlungsführer verfügten, dass keine Mahnbescheide ausgestellt werden durften. Polizeiarbeit, die der Stadtkasse zugutekam, sollte nicht stattfinden. Zumindest so lange, bis der Disput beigelegt war. Aber ein Officer ägyptischer Herkunft namens Kandil hatte die informelle Linie überschritten und einer Frau wegen ungebührlichen Verhaltens eine Geldbuße aufgebrummt, nachdem sie ihn Polizistenschwein genannt hatte. Alle warteten ab, was Ramsaran, Kandils bester Freund in der Truppe, tun würde. Und was tat er? In einem Schwung räumte er Kandils Spind komplett aus – Turnschuhe, Jeans, CD-Player, Familienfotos, eine Sporttasche, in der sich vielleicht irgendein geheimes, in braunes Packpapier eingeschlagenes Buch verbarg – und schmiss alles in den Flur. Leicht konnte es für Ramsaran nicht gewesen sein – besonders glücklich sah er dabei jedenfalls nicht aus –, aber was sagte Lopez seinen Töchtern immer, wenn sie sich übers Zähneputzen oder ihre Mathehausaufgaben beschwerten? Hey, so ist das Leben. Eine Aneinanderreihung von Mist, den man erledigen muss, selbst dann, ganz besonders dann, wenn man es eigentlich nicht will. Das ist es im Grunde. Wenn Ramsaran also wollte, dass Lopez ein paar Fragen stellte, die Ohren offen hielt, den einen oder anderen Stein umdrehte – dann tat Lopez das. Auch wenn es bedeutete, Ermittlungen aufzunehmen, die vom Hughes-Mord wegführten und damit auch von einer Beförderung, jener heiß begehrten goldene Marke im Innern seiner Brieftasche.
»Hey, Kleiner«, sagt Lopez auf dem Dunkin’ Donuts-Parkplatz. »Weißt du irgendwas über einen gestohlenen Pitbull?«
D ie Zivilbeamten Lopez, Wright und Hutchison gehören allesamt zur Kriminalitätsbekämpfung des NYPD, dem polizeibehördlichen Äquivalent einer Chemotherapie oder eines Gifts, das infizierten Straßen injiziert wird, um noch tödlichere, noch gefährlichere Gifte unschädlich zu machen. Ihre Jobbeschreibung ist äußerst simpel – rumfahren und Leute belästigen –, und es ist gerade die wässrige Vagheit, die Lopez am wenigsten vermissen wird, falls er mal Detective wird. ( Wenn er Detective wird – die Macht des positiven Denkens, Lopez.) Detectives haben ganz konkrete Probleme zu lösen, Akten zu öffnen, Akten zu schließen. Die Kriminalitätsbekämpfung fährt jede Nacht dieselben Straßen ab, belästigt dieselben Leute und isst in denselben fettigen Imbissbuden das gleiche fettige Essen. Das Fehlen eines konkreten Auftrags kann einen Mann in den Wahnsinn treiben – es treibt Lopez in den Wahnsinn –, aber es kann auch von Nutzen sein. Da die Leute nichts Konkretes machen müssen, können sie machen, was sie wollen. Sie können im Auto vor einer Bodega stehen und Lammfleisch von Spießen ziehen und warten und warten
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