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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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jagt die Stufen hinauf und ist nun wieder Körper, dreht auf und rennt und rennt, und Alfredo, ach Alfredo, alter Mistkerl, hast es geschafft.
    Benommen, noch immer zittrig vor Angst, schaut er über die Schulter und lächelt.
    Oben im Laden, hetzt er einen Gang mit Reinigungsartikeln entlang, vorbei an Regalen voll mit Waschpulver, Desinfektionsmitteln, Flaschen mit Bleichmitteln, Dreierpacks Schwämmen. Es ist dunkel. Alfredos Schuhe klatschen auf Linoleum – endlich Boden unter den Füßen, eine Wohltat nach der Tortur auf der Treppe. Die Männer im Keller können sicher hören, wie er über ihre Köpfe hinwegpoltert, aber genauso gut könnten sie auch gar nicht da sein, sinnlos, an sie zu denken, sinnlos, überhaupt zu denken. Wie natürlich sich das anfühlt! Durch einen dunklen Laden zu laufen, den er schon sein ganzes Leben lang kennt, sein Bruder hinter ihm her. Allzugern würde Alfredo sich nochmals umdrehen und über die Schulter schauen, aber die Hitze im Nacken rät ihm davon ab.
    Am Ende des Gangs bieten sich ihm zwei Möglichkeiten. Zwei Wege hier raus. Entweder kann er weiter geradeaus laufen, zu einer Nur für Mitarbeiter -Tür, die durch Max’s Zugabteil-Wohnung hindurch zu einer Fliegengittertür führt und weiter in einen winzigen Hinterhof mit hüfthohem Zaun, den Alfredo bloß zu überspringen braucht, um in eine Gasse zu gelangen, oder er kann einfach links abbiegen und den Vordereingang der Bodega ansteuern. Eigentlich stellt sich die Frage gar nicht. Die Tür geht auf die Straße raus. Drei Blocks bis nach Hause. Näher an Isabel.
    Alfredo täuscht rechts an und läuft nach links. Tariqs Schwung trägt ihn geradeaus. Er ist größer und schwerer, kann deshalb nicht so schnell bremsen. Sein Körper prallt vom Bierkühlschrank ab, hinterlässt in dessen Glas ein Spinnennetz aus Rissen. Alfredo überlegt, ob er zum Abschied winken soll, ein kleines Fingerflattern aus der Hüfte, aber dabei würde er an Tempo verlieren, und das ist das Letzte, was er jetzt will. Er will nach Hause. Hinaus aus dem Gang und auf die Freifläche davor, und schon läuft er zum Vordereingang. Gleich ist es so weit. Wenn er es auf die Straße schafft, ist er weg. Nicht mehr zu kriegen. Dann hat er Hinterhöfe, die Gasse, illegale Taxis, den Q32er. An jeder Kreuzung kann er sich zwischen vier verschiedenen Richtungen entscheiden. Und er wird nicht müde werden. Selbst mit brennender Niere wird er bis nach Hause fliegen.
    Glöckchen läuten, als die Tür aufgeht. Alfredo ist noch immer ein paar Meter entfernt, und eine irre halbe Sekunde fragt er sich, ob er das mit Gedankenübertragung gemacht hat. Vielleicht ist er derart in Einklang mit seinem Körper, dass er die Außenwelt manipulieren, mit Telepathie Türen öffnen kann. Negativ. Zwei Männer stürmen in den Laden, kommen auf Alfredo und Tariq zugewalzt. So wie einer hinter dem anderen herläuft, sehen sie sogar aus wie Alfredo und Tariq, nur dass sie weiß und größer sind und Sporttrikots tragen, ein blaues und ein schwarzes der Mets, Piazza und Piazza. Der Schwerere der beiden, der im blauen Trikot, versteht ganz offensichtlich noch nicht, was gerade passiert. Er rennt hinter seinem Partner her, so wie Tariq hinter Alfredo, und der volle Durchblick stellt sich bei den beiden erst mit Verzögerung ein. Der dünnere weiße Bulle sieht Alfredo allerdings im selben Moment, wie Alfredo ihn. Nämlich sofort. Sein Gesicht verhärtet sich. Sein Arm schnellt hoch, und er zielt mit einer Pistole auf Alfredos Brust.
    »Halt!«, schreit er. »Sofort stehenbleiben!«
    Beide Bullen sind noch so weit entfernt, dass sie Alfredo unter Umständen nicht als den Jungen aus dem Dunkin’ Donuts erkennen. Er will ihnen zurufen, sich keine Sorgen zu machen, sie stünden auf derselben Seite. Aber natürlich stehen sie nicht auf derselben Seite. Weshalb Alfredo auch nicht abbremst. Er rennt direkt auf den Dünneren der beiden zu, denjenigen, dessen Gesicht lediglich aus einer Pistolenmündung besteht. Ein zahnloser Mund. Zur Kehrtwende duckt sich Alfredo, stützt sich beim Abdrehen mit der Hand auf dem Boden ab. Drei Finger streifen durch den Dreck, als hätte man ihn auf dem Weg zwischen zweiter und dritter Base gestellt. Sind die Bullen zu weit weg, um ihn zu erkennen, dann sind sie auch weit genug weg, um danebenzuschießen. Außerdem: Einem Verdächtigen einfach in den Rücken schießen dürfen sie ja wohl sowieso nicht. Während er die Richtung wechselt, schlingt Tariq ihm einen

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