Die Prinzen von Queens - Roman
Artikel über den Skandal in der katholischen Kirche, überflog etwas zum Thema Verdrängung und fragte sich, ob ihre Messdiener-Söhne wohl je … o Gott, bloß nicht darüber nachdenken. Im Kulturteil: Bis zur MOMA-Eröffnung in Queens waren es nur noch zwei Wochen, und die Liebhaber moderner Kunst maulten über den vorübergehenden dezentralen Standort – selbst Picasso konnte die versnobten Ignoranten offensichtlich nicht nach Queens locken. Im Sportteil: die Mets hatten gegen die Yankees verloren, wollten es aber heute erneut wissen, beim zweiten von insgesamt drei Spielen. Und im Was-juckt’s-mich-Teil: am Aktienmarkt waren die Kurse eingebrochen. Lizette las all diese Artikel und einiges darüber hinaus – überflog zumindest die kalauernden Überschriften –, aber nirgendwo auf den über hundert Seiten der Zeitung fand sie etwas über die eigentliche Top-Geschichte des Tages. Klar, sie erwartete nicht unbedingt, dass die Revolverblätter darüber berichteten. Aber die Auslassung zog auch die anderen, angeblich wichtigeren Themen des Tages in Mitleidenschaft. Wer interessierte sich schon wirklich für Enron? Wer für das mögliche Rauchverbot? Die Post – und jede anderer Zeitung in der Stadt – schaffte es nicht, auch nur zu erwähnen, was in Lizettes persönlicher Extra-Super-Sonderausgabe in fetten Lettern auf der Titelseite prangte: Die Rückkehr ihres Sohnes, ihres ältesten Babies, Jose Batista Jr.
Falls er überhaupt kommt. Auf der Küchenuhr ist es kurz nach eins. Lizette hat früh mit dem Kochen begonnen, weil Junior geschrieben hatte, er werde morgens entlassen. Sie muss auch bald zur Arbeit. Sie arbeitet ganztags – schönen Dank auch – in einem Brillenladen, und weil Dr. Remmelts, der Optiker, ihr den Morgen freigegeben hat, muss sie am Nachmittag kommen. Seine Frau ist im neunten Monat schwanger oder so was in der Art, und da für schwangere Menschen offenbar die ganze Welt quietschend in die beschissenen Eisen gehen muss … man vergebe ihr! Vergebe ihr die Blasphemie! Vater, Sohn und heiliger Geist, murmelt Lizette vor sich hin. Sie ist einfach gestresst. Er hätte eigentlich seit Stunden hier sein müssen, und jetzt, wer weiß, wo er jetzt schon wieder ist? Die Kosten, die Mühe, egal – Lizette hätte mit dem Zug nach Fishkill fahren und ihn abholen sollen. Und jetzt, weil sie es nicht getan hatte, hat Junior möglicherweise einem Schließer ein paar hinter die Löffel gegeben und ist direkt wieder hinter Gittern gelandet. Lizette kennt die Rückfallquoten. Sie liest Zeitung. Sie weiß, dass das »ehemaliger« in »ehemaliger Strafgefangener« nur vorübergehend ist, ein Geschenk, das einem wieder weggenommen wird. Sie weiß, dass Gefängnisse innen Zellen und außen Drehtüren haben. Das Einzige, was ihr Baby vor diesem reißenden Strudel bewahren wird, sind die guten alten Familienwerte: Eltern, die zusammenstehen, Juniors Leib- und Magenspeisen, eine saubere Küche, frische Handtücher und Stoffservietten, die nach Weichspüler duften. Aufgrund seiner Bedeutung hätte sie gern, dass dieses erste Essen eine rein Batista-interne Angelegenheit ist. Nicht, weil sie ihr Böses wollte oder sonst was, aber Lizette wünscht sich, Isabel würde den Hintern zusammenkneifen und zurück zu ihrer Mutter ziehen. Für eine Weile. Zumindest, bis das Baby da ist. Ist das so schlimm? Macht sie das zu einem schlechten Menschen? Vielleicht, aber Lizette liegt mehr daran, eine gute Mutter zu sein. Bei Juniors Persönlichkeit und so unmittelbar nach seiner Haftstrafe würde es schon, na ja, kompliziert genug, die Familie zusammenzuhalten, das Verhältnis der beiden Jungen zu kitten, auch ohne dass Isabel ständig duscht und mit ihrem dicken Bauch durch die Flure walzt.
Lizette dreht die Flamme unter den Habichuelas Guisadas kleiner. In fünf Minuten – warum hat sie bloß so früh angefangen zu kochen? – wird das Huhn durch sein. Lizette wird es vom Herd nehmen, klar, aber wenn sie es zu lange stehen lässt, wird der Reis breiig oder schlimmer noch: kalt.
»Brauchst du das Sofrito?«, fragt Isabel. Das Mädchen öffnet den Kühlschrank und holt eine Eiswürfelform heraus. Lizette macht ihr Sofrito immer selbst mit einer Küchenmaschine – aus der Dose kommt in dieser Küche gar nichts – und bewahrt die grüne Pfeffersauce in Eiswürfelformen auf. Klar stinkt der Kühlschrank davon nach Zwiebeln und Knoblauch, aber was will man machen? Lizette muss leicht an ihr Sofrito rankommen. Ohne kocht
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