Die Prinzen von Queens - Roman
sie gar nichts.
Isabel dreht die Eiswürfelform über der Arbeitsfläche auf den Kopf, so dass die kleinen klotzigen Plastikärsche nach oben in die Luft ragen. Gerade will sie die grünen Würfel herausschlagen, als Lizette sie am Handgelenk packt.
»Jemand macht die Arbeitsflächen hier sauber, weißt du.« Lizette dreht die richtige Seite der Form nach oben. »Einfach biegen, siehst du? Dann leicht drücken, und die Würfel gleiten von selbst raus. Keine Schweinerei, siehst du?«
»Wie viele Würfel brauchst du?«
»Ach, mit dem Sofrito bin ich schon fertig, Schätzchen. Hab schon mit zwei Würfeln den Jamon angebraten. Vor zwanzig Minuten.« Lizette atmet tief ein. »Riechst du es?«
Weil Isabel – natürlich – den Kühlschrank offen gelassen hat, beginnt der reizbare, übellaunige Kühlschrank zu brummen, prangert an, vernachlässigt zu werden.
»Stell das doch bitte zurück«, sagt Lizette und reicht ihr den Behälter. »Weißt du, die Küche ist viel zu klein für zwei.«
Isabel zieht sich das T-Shirt über den Bauch. Das arme Ding hat keine Umstandskleidung. Sie trägt eines von Ditos alten Our-Lady-of-Fatima-Shirts, dessen Saum ihr am Bauch immer wieder hochrutscht und einen schmalen Streifen Haut entblößt. Um die Taille ist eine dreckige Jogginghose festgezurrt. Sie trägt keinerlei Make-up oder Schmuck. Ihr Haar ist zu einem strengen, gesichtsstraffenden Pferdeschwanz zusammengebunden.
»Gefällt dir nicht, was ich anhabe?«, fragt Isabel.
Lizette lächelt, peinlich berührt, dass sie so leicht zu durchschauen ist. »Du siehst wunderbar aus«, sagt sie fröhlich.
»Ich hätte ja mein Versace-Kleid angezogen«, sagt Isabel, »aber es ist noch in der Reinigung.«
»Ich finde, du siehst absolut wunderbar aus.«
Alfredo kommt aus dem Wohnzimmer, wo er mit seinem Vater die Vorberichte zum Metsspiel angeschaut hat, in die Küche. Erst als er dort ist, wird ihm überhaupt bewusst, dass er sich auf den Weg dorthin gemacht hat. Offenbar hatten Beine und Nase sich vollkommen selbstständig abgesprochen, den Rest des Körpers in Mamas Küche zu verfrachten, wo rote Bohnen in einer dicken, duftenden Paste aus Olivenöl, Knoblauch und Koriander schmurgelten und Hühnerfleisch von Knochen fiel. Und jetzt, wo Alfredo da ist, merkt er, dass Arbeit auf ihn wartet.
Die Frauen stehen leicht vorgebeugt, bewegen sich millimeterweise aufeinander zu, wie zwei tektonische Platten. Da komme ich ja gerade recht, denkt Alfredo. Am Lächeln seiner Mutter und an den zu Fäusten geballten Händen seiner Freundin erkennt er – schnell und zutreffend –, dass Isabel versucht, sich nützlich zu machen, seine Mutter davon aber partout nichts wissen will. Also wird Alfredo Isabel etwas zu tun geben. Damit sie das Gefühl hat, gebraucht zu werden, gewollt zu sein. Damit sie eine Weile beschäftigt ist. Damit ihre Hände sich entkrampfen, wird er sie bitten, etwas für ihn zu tun. Ihr geben, was seine Mutter ihr vorenthalten hat.
»Hey, Süße? Kannst du mir ein Glas Wasser eingießen?«
»Hast du dir die Beine gebrochen?«
»Ich wollte bloß …«
»Wenn du Wasser willst«, sagt Lizette, »hol’s dir selber.«
»Wow«, sagt Alfredo. »Vergessen wir’s. Hab eh keinen Durst.«
Isabel neigt den Kopf, denkt, dass Alfredo sich vielleicht ändert, wenn sie ihn aus einem anderen Blickwinkel wahrnimmt. Sie könnte ihn umbringen. In der Filmversion ihres Lebens steht Isabel nicht in dieser Küche. Sie sitzt in einem Greyhound-Bus, ein zusammengeknülltes Sweatshirt zwischen Kopf und Fenster. Komm schon, meldet sich Christian Louis. Ist es schon so weit gekommen, dass du dir nicht mal mehr in der Fantasie ein Kissen leisten kannst? Scheiß doch drauf! In der Filmversion ihres Lebens – und wir reden hier von Hollywood, nicht irgendeinem Sundance-Independent-Handkamera-Dreck –, in der superteuren Blockbuster-Version ihres Lebens steht sie nicht in dieser nach Knoblauch stinkenden Küche, ganz einfach weil sie im Flieger nach Paris sitzt, erste Klasse, und an einer Coke nippt. Alfredo ist zwar dabei – das muss sein –, sitzt aber ganz hinten in der Holzklasse auf einem mittleren Sitz zwischen den beiden fettesten Fluggästen aller Zeiten. Diese Breitärsche essen Sandwiches mit Blauschimmelkäse und niesen in die Achselhöhlen.
Schön wär’s. Sie und Alfredo hatten letzte Nacht ihre Chance abzuhauen. Aber dann hat Alfredo sich auf dem Schlafsofa umgedreht und ihr erklärt, sie könnten Jackson Heights genauso gut
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