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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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verlassen wie Captain Britain das vereinigte Königreich. Im Grunde nämlich gar nicht. Alfredo sei hier aufgewachsen, nie woanders gewesen, seine Familie sei hier, seine Freunde, seine Geschäfte, er habe seinen Namen in den nassen Zement dieser Gehwege geschrieben. Isabel hat gefragt, wer denn dieser Captain Britain sei. Eine Comicfigur, hat Alfredo gesagt, und von da an hat Isabel nicht mehr zugehört.
    »Wollt ihr euch mal nützlich machen?«, fragt Lizette.
    »Nicht unbedingt«, sagt Alfredo.
    »Nehmt den Tisch – hebt ihn hoch, damit ihr keine Streifen auf dem Boden macht – und stellt ihn vorsichtig in die Mitte der Küche.«
    Das ist nicht okay, denkt Alfredo. Der Tisch – wackelig, rechteckig, von vier dünnen Metallbeinen getragen – schmiegt sich an die Küchenwand. Das ist sein Lebensbereich. Wenn die Familie abends zusammen isst – also jeden Abend, wenn es die jeweiligen Arbeitszeiten erlauben –, sitzen sie an nur drei Seiten, Lizette und Jose Sr. einander gegenüber an den Enden, Alfredo und Isabel nebeneinander. Jetzt den Tisch umzustellen bedeutet, alles zu verändern, außerdem wäre Joses Weg zum Badezimmer und den Schlafräumen blockiert. Aber Isabel hat ihr Ende bereits angehoben, und Alfredo kann seine im siebten Monat schwangere Freundin nicht alleine irgendwelche Möbel schleppen lassen. Gemeinsam bugsieren sie den Tisch in die Mitte der Küche. Nun, von allen Seiten zugänglich, steht der Tisch beinahe wie nackt da. Er scheint zu schweben. Eine Insel am Himmel. Alfredo hat das Gefühl, in die Küche einer anderen Familie gefallen zu sein. Von dort, wo die Tischbeine gestanden haben, starren ihn vom Linoleumboden vier saubere kleine Rechtecke an. »Bleibt das so?«, fragt er.
    Schon zum zweiten Mal heute geht Lizette in die Abstellkammer im Flur. Früher am Morgen hatte sie dort eine Badematte geholt, um die zu ersetzen, die mysteriöserweise verschwunden war. (»Welche Badematte?«, hatte Isabel während des Verhörs geantwortet.) Diesmal holt Lizette einen grauen Metallklappstuhl heraus.
    Jose Sr. kommt in die Küche gefahren. Er wollte Alfredo sagen, das Spiel fange gleich an, aber als er das Hindernis in der Küchenmitte sieht, bremst er ab. »Hoijoijoi«, sagt er. Er streicht mit der Hand über eine Seite des neuerdings vierseitigen Küchentischs. »Was ist denn hier los? Bleibt das so?«
    Lizette deckt brummelnd den Tisch. Sie nimmt die guten Gabeln, Messer und Teller. Statt der Küchenrolle holt sie ihre schönen, erst kürzlich gewaschenen Stoffservietten hervor.
    »Es gibt jetzt Abendessen?«, sagt Jose. »Es ist ein Uhr mittags. Gleich fängt das Spiel an.«
    »Das Huhn ist so gut wie fertig«, sagt Lizette. »Wenn das Huhn fertig ist, essen wir.«
    »Aber Junior …«
    »Tariq«, verbessert Alfredo.
    »Er ist noch gar nicht da«, sagt Jose zu Lizette.
    »Dann essen wir eben ohne ihn«, sagt sie und muss aufpassen, dass ihre Hände nicht hochschnellen, um ihre Frisur zu richten. »Weiß jemand, wo er ist? Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Und die Tostones. Ich habe damit noch nicht mal angefangen.«
    Isabel grinst. »Ich kann sie frittieren.«
    »Ach, weißt du«, sagt Lizette. Sie faltet die Hände wie zum Gebet unter dem Kinn. »Die Küche ist doch furchtbar klein.«
    Es klingelt an der Tür. Jose wirbelt seinen Rollstuhl herum und Lizette schießt an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Doch fast im selben Moment kommt sie zurück und tut etwas, das Alfredo schon lange nicht mehr gesehen hat, Monate vielleicht, womöglich Jahre: Sie stellt sich hinter den Rollstuhl ihres Mannes und schiebt. Jose rollt los, sie steuert, und auf diese Weise gondeln sie gemeinsam Richtung Wohnzimmer. Wieder klingelt es an der Tür.
    Isabel zieht sich das T-Shirt über den Bauch.
    »Bist du bereit?«, sagt Alfredo.
    »Es ist noch nicht zu spät.«
    »Ach nein?« Er kommt näher und lächelt sie fröhlich strahlend an. »Hab ich was zwischen den Zähnen?«
    »Ist mein Mundgeruch schlimm genug?«, fragt sie. Alfredo steckt ihr die Nasenspitze in den Mund. Er schnuppert an ihren Lippen und erforscht dann ihr ganzes Gesicht, wie ein Kaninchen ein Salatbeet, versucht, sie zum Lachen zu bringen, schnüff-schnüff-schnüffelt an ihren Wangen, ihrer Stirn, ihren Augen. »Vielleicht sollte ich einen der Sofrito-Würfel deiner Mutter lutschen«, sagt Isabel. »Meinem Atem so ein richtiges Arsch-Aroma verpassen.«
    »Du kannst nichts dafür, dass du schön bist.«
    »Es gibt immer noch die Feuerleiter im

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