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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Schritte, den umgefallenen Stuhl, den allgegenwärtigen Sofrito-Geruch im Treppenhaus, seinen beschissenen Job als Gerichtsschreiber und seine Frau, die ihn vor sieben Jahren verlassen hat. Bollert an die Decke, wobei er wahrscheinlich mit seinen kleinen weißen Zähnchen knirscht.
    »Verflucht noch eins«, sagt Lizette.
    Bomm, Bomm , macht der Besenstiel.
    »Ruhe!«, brüllt Lizette. Sie hält sich am Tisch fest, um mehr Kraft entwickeln zu können, und stampft mit der Hacke auf den Boden. Ihre Haare fliegen. Ihr Bein fährt auf und ab. Als das Gewummer weitergeht und klar wird, dass es nicht zu stoppen ist, sackt sie auf ihrem Stuhl zusammen. Ihre Brust hebt und senkt sich. Sie sieht erbärmlich aus. »Ich hätte doch die Tostones machen sollen«, sagt sie zu Isabel. »Meinst du, er möchte ein Sandwich?«
    Isabel fasst sich seitlich am Bauch, um Christian Louis daran zu erinnern, dass Mama noch da ist. Die Vibrationen des Besenstiels dringen durch den Fußboden und kitzeln ihre Fußsohlen. Mr. Pettolina muss richtig sauer sein. Sie stellt ihn sich dort unten vor. Er haut so hart gegen die Decke, dass sich der Putz löst. Weißer Staub rieselt ihm ins Gesicht, in die Haare und legt sich auf die Spitzen seiner langen, feinen Wimpern.
    W ährenddessen betritt Roger Clemens die Batter’s Box. In Corona, Elmhurst, East Elmhurst, Jackson Heights, Cambria Heights, Astoria, Hollis, Glendale, LeFrak, Queensbridge, Jamaica, Rockaway, Fresh Meadows, Kew Gardens, Malba, Maspeth, Ditmars, Douglaston, Howard Beach, Beechhurst, Bellerose, Rosedale, Richmond Hill, Forest Hills, Floral Park, Ozone Park, Rego Park, College Point, Hunters Point, Willets Point, Breezy Point, Bay Terrace, Bayside, Sunnyside, Woodside, Woodhaven, Ravenswood und Ridgewood beugen sich Vergeltungsjünger auf ihren Plätzen vor. Streifenpolizisten starren auf der 37th Avenue durchs Schaufenster des Headz-Ain’t-Ready-Frisörsalons auf den Fernseher. In Whitestone fixiert Baka das Gerät hinter der Bar eines Bowlingcenters. In Corona sitzen Alex und Bam-Bam Hughes auf ihrer Couch, der Platz zwischen ihnen ist leer. Und auch auf dem Apparat, der über Vladimir Shifrins Krankenhausbett in Elmhurst hängt, läuft das Spiel. Aber natürlich haben nicht alle einen Fernseher. Er gibt auch Radiohörer: Autofahrer, die auf dem Brooklyn Queens Expressway oder dem Grand Central Parkway im Stau stehen, Arbeiter bei ConEd, Tellerwäscher und Pförtner in Manhattan, ein kleiner Junge auf einem klebrigen Teerdach, Max Marshmallow hinterm Tresen seines Süßwarenladens. Und im Shea Stadion? Die Hot-Dog-Verkäufer und Erdnuss-Händler tun, was sie ausdrücklich nicht tun sollen: Sie drehen sich um und schauen aufs Spielfeld. Seit Beginn des dritten Innings stehen alle Fans. Sie feuern die Mets an und buhen Clemens aus, halten sich aber noch zurück. Sparen sich etwas auf für den großen Dammbruch, die Eruption der lange aufgestauten Gewalt.
    Der Pitcher der Mets wirft in Clemens’ Richtung und verfehlt ihn. Es dauert nur Sekundenbruchteile. Der Ball segelt noch einen knappen Meter weiter, landet dann im Staub und rollt auf den Schutzzaun zu. Das war sie – ihre einzige Chance! Piazza lässt den Kopf sinken, während der Schiedsrichter warnende Worte spricht. Clemens grinst hämisch. Er bedenkt den Pitcher mit einem kurzen Antippen des Helms, und eine ganze Stadt sackt in sich zusammen.
    »Die Saison ist gelaufen«, sagt Jose. »Wir sind erledigt.«
    »Wir haben Juni«, sagt Alfredo. »Es sind noch um die hundert Spiele.«
    »Wir sind erledigt«, sagt Jose. Der nächste Wurf ist ein Fastball, genau mittig platziert, den Clemens irgendwie erwischt. »Siehst du?«, sagt Jose. Angewidert winkt er ab. »Siehst du? Wir haben ihn verfehlt, jetzt werfen wir, und die Saison geht gleich komplett den Bach runter. Man braucht Selbstvertrauen für dieses Spiel, und wir haben es ein für alle Mal verloren. Himmelherrgottnochmal, Dito«, sagt er, als wäre Alfredos Naivität nicht bloß offensichtlich, sondern auch verantwortlich für die lange Serie siegloser Baseballspiele vor seinem inneren Auge. »Kapierst du nicht?«
    »Die Saison endet nicht im Juni, Papi, nur weil wir es nicht geschafft haben, einem Pitcher den Hintern wegzuschießen.«
    »Kapierst du nicht, Dito?«, sagt Tariq, imitiert perfekt den Akzent ihres Vaters, eines New Yorker Puerto Ricaners der zweiten Generation. Er krault seinen Hund hinter den Ohren und lächelt Alfredo an, der nicht weiß, ob er gerade

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