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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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und Isabel tauschen die Plätze. Alfredo sieht zu, wie sie aufsteht und ihren Stuhl ans Kopfende des Tisches zieht, direkt neben Tariq. Tariq sieht sie nicht einmal an, als sei er plötzlich schüchtern geworden. Er fummelt am Armband seiner Uhr herum.
    In Alfredos Hosentasche klingelt das Telefon. Er hatte gestern Nacht den Rufton lauter gestellt, in der Annahme, Winston würde anrufen oder vielleicht auch die Polizei mit der Nachricht von Winstons Ermordung, und heute Morgen hatte er vergessen, es wieder auf Vibration zu stellen. Nun klingelt es Sturm und lässt gleichzeitig seine inneren Alarmglocken schrillen. Da Winston und Isabel am Tisch sitzen, ist es am wahrscheinlichsten Baka, Alfredos Drogen-Connection – und wenn es Baka ist, ruft er vielleicht wegen des Geldes an, das Alfredo ihm schuldet, oder wegen des mit Unendlichkeitszeichen versehenen X, das er möglicherweise Vladimir Shifrin verkauft hatte, oder ( brrrrrring , brrrrrring ) vielleicht ruft er an, um Alfredo aus dem Haus zu locken, so wie er gestern Nacht möglicherweise Curtis Hughes aus dem Haus gelockt hat. Alfredo wünscht sich, er könnte mit dem Fettarsch reden. Nicht am Telefon, sondern persönlich, ihm in die Augen schauen und an die Infos kommen, die er braucht.
    »Dein Telefon«, sagt Lizette. »Es klingelt. Während wir essen.«
    »Sorry«, sagt er und bringt das Gerät in seiner Tasche zum Schweigen. Klar, im Wohnzimmer sitzt ein Pagageien fressender Pitbull – aber was soll’s? Ist doch ulkig. Ist doch spaßig. Aber wenn Alfredos Telefon beim Essen klingelt? Gott bewahre! Und Gott bewahre, dass Isabel dort sitzt, wo sie möchte. Sie starrt auf ihren Teller. Auch ohne äußere Anzeichen – ihr Kiefer bleibt unbewegt, ihre Backen glatt – weiß Alfredo, dass sie mit den Zähnen knirscht. »Ist geschäftlich«, sagt Alfredo. »Der Anruf, mein ich.«
    »Können wir jetzt mal anfangen?«, sagt Jose. Außer Winston, der den Mund voll Hühnchen hat, hat bislang noch niemand angefangen zu essen. »Wer ist hier der Jüngste?«
    »Das bin ich«, sagt Alfredo. Zwei Monate jünger als Winston, ein ganzes Jahr jünger als Isabel. Also fällt die Aufgabe ihm zu. »Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.« Normalerweise leiert Alfredo die Worte herunter wie ein Auktionator. Aber heute spricht er deutlich. Er beobachtet Isabel, die gar nicht weiter entfernt sein könnte, und er beobachtet seinen muslimischen Bruder, der mit geschlossenen Augen und höflich gebeugtem Kopf dasitzt. »Durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.«
    Winston schluckt schwer. Um ihn herum treffen nun Gabel und Messer auf Teller, machen klick-klack-klick . Winston hingegen lässt das Besteck sinken. Er ist tief beschämt. So machen Familien das? Sie sprechen ein Tischgebet vor dem Essen? Im verfickten Jahr 2002? Niemals wäre es Winston auch nur in den Sinn gekommen, dass er warten sollte. Zu Hause gibt es nur ihn und seine Frau Mama. Sie essen nie gemeinsam, und ganz sicher beten sie nicht zusammen. O Scheiße – allein der Gedanke schnürt ihm die Kehle zu. Er nimmt einen Schluck Wasser, aber es ist lauwarm, und so steht er, auf der Suche nach Eiswürfeln, plötzlich vorm Kühlschrank. Während ihm die kalte Luft ins Gesicht schlägt, dämmert es Winston, dass es genauso unhöflich ist, ohne um Erlaubnis zu fragen in anderer Leute Kühlschrank herumzustöbern. Am Vormittag hatte er sich eine Mixtur aus Ketamin und Kokain verabreicht, und nun versucht sein Herz, sich aus dem Haus zu stehlen, sich zwischen den Stäben seines Brustkorbs hindurchzudrücken und ihm einfach aus der Brust zu springen. Ab morgen muss er mit den Drogen aufhören, muss Alfredo das Tütchen mit dem Pharmazeug zurückgeben. Die Uppers und Downers haben sein Gehirn durcheinandergewirbelt und ihm den Appetit verdorben. Womöglich hat Winston etwas eingeschmissen, an das er sich gar nicht mehr erinnern kann, irgendwelche Halluzinogene vielleicht oder Magic Mushrooms. Ich muss endderbe auf Sendung sein, denkt er, denn als er sich wieder auf seinen Stuhl setzt, merkt er, dass sein Wasser mit den Eiswürfeln darin auf einmal grün geworden ist.
    Lizette wendet sich kopfschüttelnd von Winston ab. Am besten ignorieren. »Ich wollte eigentlich einen Avocadosalat machen«, lässt sie die Runde wissen. »Aber die Koreaner wollen drei Dollar das Stück dafür haben. Hat man so was schon gehört? Drei Dollar für eine Avocado?«
    Tariq hat noch gar nichts gegessen. Er fährt mit

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