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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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natürlich Sorgen macht, du verstehst. Weil ich anfange zu grübeln, wo Pierre den Scheiß wohl herhat. Aus einem scheiß Buch? Unmöglich. Und dann, o Gott, fangen wir lieber nicht davon an – komm ich ins Grübeln, ob Pierre wohl schlauer ist als ich. Ein beängstigender Gedanke. Warte, bis du ihn kennenlernst. Nachts bin ich wach. Ich meine, ich bin nachts sowieso wach, aber wegen dieser Sache drehe ich durch, und der Punkt ist, dass das ganze Durchgedrehe wegen dieser Katastrophenfantasie vermutlich ein ziemlich sicheres Anzeichen dafür ist, dass ich tatsächlich eine Katastrophenfantasie habe, und wenn ich nun also anrufe und anrufe und nichts von deinem Bruder höre, denke ich irgendwann, o Jesus Christus, o nein, vielleicht hat sich der große Dito ja irgendwie was getan.«
    »Wie kommst du denn darauf?«, sagt Alfredo.
    »Wie geht’s Dir denn überhaupt?«, fragt Baka Tariq. »Froh, wieder zu Hause zu sein? Ich jedenfalls freu mich, dass du wieder da bist. Siehst gut aus. Offensichtlich ordentlich Eisen gestemmt. Ich sag dir mal was – wer stark ist, wenn er einfährt, kommt noch stärker wieder raus. Eine Art Fabrik für Superschurken, hab ich recht? Ich hab natürlich keine Ahnung. Jedenfalls siehst du gut aus. Im Gegensatz zu deiner Backe, die übrigens entzündet ist. Und davon hab ich Ahnung. Pierre, Schätzchen. Komm mal her. Du bist sehr, sehr ungezogen.«
    Mit seinen sehnigen Armen und knochigen Händen sieht Pierre ein bisschen aus wie ein junger Curtis Hughes. Müsste Alfredo wetten, würde er den Jungen auf sechzehn schätzen. Vielleicht sogar jünger. Er ist wesentlich größer als Alfredo, und nach seinen überdimensionierten Füßen zu urteilen, wird er wohl noch um einiges zulegen. Wahrscheinlich wacht er jeden Morgen mit neuen Wachstumsstreifen an den Schultern und Haarkräuseln auf der Brust auf und wächst vermutlich alle drei Monate aus seinen Klamotten raus. Weshalb er sein Geld in Shirts anlegt wie das, das er anhat: ein langes, weißes T-Shirt, das erst ein paar Zentimeter überm Knie endet. Auf seiner Brust prangt ein Bild von Al Pacino, ein Standbild aus Scarface in Technicolor. Alfredo hat den Film nie gesehen – wer hat schon Zeit dafür? –, aber er hat genügend Rapvideos gesehen und mehr als genug Nacherzählungen gehört, um zumindest zu wissen, worum es in der Szene geht. Eine orangefarbene Mündungsfeuerblume erblüht aus der Spitze einer gewaltigen Wumme, und Pacino, ebenso wie Baka, stellt sie einander vor: Say hello to my little friend . Alfredo und Pierre klatschen sich ab.
    »Glaub nicht, dass ich je einen Schwarzen names Pierre kennengelernt hab«, sagt Alfredo.
    Pierre bläst den Brustkorb auf. »Lustige Geschichte eigentlich …«
    »Was ist das denn?«, sagt Alfredo und beugt sich über Pierres Nacken, wo eine Ansammlung rötlicher Beulen die Haut übersät. Wie Finger greifen die Beulen in den T-Shirt-Kragen. »Was zum Henker ist denn mit deinem Nacken los?«
    »Meinem Nacken?«
    »Giftefeu«, sagt Baka ungeduldig. »Labern wir den ganzen Abend hier nur rum oder reden wir auch mal übers Geschäft?«
    »Wir müssten echt mal was Geschäftliches besprechen«, sagt Tariq.
    »Giftefeu?«, sagt Alfredo.
    »Jau, weißt du, ich und meine Jungs? Wir waren in Sachen Graffiti auf Achse, beim Maple-Grove-Friedhof, haben uns durch Büsche geschlagen und so weiter und haben fette Tags …«
    »Verarscht du mich?«, sagt Alfredo. »Der Scheiß ist ansteckend.«
    Pierre schüttelt den Kopf. »Hab ich im Netz nachgeguckt. Da stand, er wär’s nicht.«
    Er sieht Baka hilfesuchend an. »Stimmt’s? Im Internet. Da stand, es wär nicht übertragbar.«
    Alfredo wischt sich die Hand an seinem T-Shirt ab. »Das ist ansteckend, Alter. Das ist bei Giftefeu so.«
    »Mach dir mal keine Sorgen«, sagt Pierre.
    Der Junge hat offenkundig keine Ahnung, mit wem er es zu tun hat. Aus Gründen der räumlichen Effizienz teilt sich Alfredos neurologische Abteilung des Bedauerns ein Büro mit der daran angegliederten Abteilung Kopfzerbrechen. Jede hat ihren eigenen Schreibtisch und eigene Aktenschränke, man sitzt aber hinter derselben Mattglastür. Zahlreiche überkoffeinierte Mitarbeiter aus ›Bedauern‹ arbeiten auf freiwilliger Basis auch in ›Kopfzerbrechen‹, und beinahe alle mögen diesen Job lieber, weil er wesentlich mehr Kreativität erfordert. Sie tragen grüne Mützenschirme, kauen auf nicht angezündeten Zigarren – im Gehirn herrscht Rauchverbot, aus naheliegenden Gründen –

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