Die Prinzen von Queens - Roman
Schwerlast dieses orangefarbenen Lichts bietet sich an jeder Bahn dasselbe Schauspiel: Männer, Frauen und Kinder, egal ob sie zum zweiten Date, einem Ligaspiel oder einer Geburtstagfeier hier sind, egal ob sie alle zehn Kegel auf einmal erwischt, eine Kugel in die Rinne befördert haben oder etwas dazwischen, alle Bowlingspieler drehen sich, nachdem sie ihre Würfe gemacht und die Resultate notiert haben, um und vollführen diesen überaus seltsamen Eiertanz zurück zu ihrer Gruppe. Man hat ihnen zugesehen, ihre Würfe kommentiert, und jetzt, da sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, beginnen die Bowlingspieler zu schauspielern, ein Schauspiel der Unaufrichtigkeit. Sie zucken die Achseln. Sie ballen die Fäuste. In einem Anfall von Panik formen sie aus Daumen und Zeigefingern Pistolen, zielen und schießen, piu-piu , wobei einige dieser bedauernswerten Seelen so weit gehen, die Fingerspitze an die Lippen zu legen und unsichtbare Rauchfähnchen wegzublasen. Alfredo, der selbst schmerzhaft verkrampft ist, kann es nicht ertragen, wie andere unter dem Stress schmerzhafter Verkrampftheit zusammenbrechen. Das passiert nämlich, denkt er, wenn die Geschäftsführung das Licht brennen lässt.
Tariq zeigt zu einer der hinteren Bahnen. »Da ist Baka«, sagt er.
Wie Alfredo ist auch Baka ein verkrampfter Paranoiker, aber, anders als Alfredo, nicht als solcher zur Welt gekommen. Als Kind war er sehr sportlich gewesen, hatte den Baseball in Elmjack praktisch dominiert. Er hatte Base um Base stehend erobert, mit elf den buchstäblichen Dreh mit dem Football rausgehabt, seine Mutter in den Wahnsinn getrieben, weil er auch zu Hause den Ball nicht aus der Hand legte, in der Küche Sprints trainierte und von Zimmer zu Zimmer dribbelte, beim Hand-Ball einen geduldigen, monotonen Stil gepflegt, keine Entscheidung forciert, keine Killerbälle geschlagen, sondern einfach den Ball entlang der Baselines im Spiel gehalten, bis die Gegner mit brennenden Lungen irgendwann mittendrin aufgaben. Dann, im Alter von fünfzehn, wurde bei ihm das Cushing-Syndrom diagnostiziert. Die seltene Hormonstörung sorgte dafür, dass der adrenalingesteuerte Kampf-oder-Flucht-Reflex bei ihm unberechenbar wurde. Noch schlimmer für den jungen Baka war, dass das Cushing seinen Körper auf über hundertzehn Kilo aufpumpte. Obwohl immer unwahrscheinlicher, blieb eine Sportlerkarriere theoretisch noch möglich. Mit sechzehn wog er über hundertfünfunddreißig Kilo. Jetzt, mit achtundzwanzig, kümmert er sich nicht mehr um Maßeinheiten. Baka leidet unter Stammfettsucht, was bedeutet, dass das Cushing Bauch und Gesicht aufgebläht, die Gliedmaßen aber verschont hat. Was bedeutet, dass er wie ein großer schwarzer Löwe aussieht. Er schwitzt zu stark. Holt sich leicht Blutergüsse. Fettpolster bedecken seinem Nacken, verpassen ihm einen Buckel wie bei einem Buffalo. Außerdem ist Baka, was bei einem Mann, der einmal gehofft hat, als Centerfielder bei den Mets zu spielen und jetzt nicht einmal mehr auf einen Stadionsitz passt, sehr wohl verständlich ist, zum Zyniker geworden. Er weiß, dass schlimme Dinge – absichtlich an die Murmel geworfenen Bälle, tricksende Geschäftspartner, Terroranschläge oder nicht vererbbare Hormonstörungen – einfach plötzlich, paff , Wirklichkeit werden. Und dementsprechend handelt er. Um das Risiko zu minimieren, geht er weder zu den Dealern nach Hause, noch lässt er sie zu sich kommen. Stattdessen trifft er sich mit ihnen an großen öffentlichen Plätzen, und weil er noch immer Sportsgeist besitzt, sind diese großen öffentlichen Plätze zumeist Billardsalons, Pubs mit Dartscheiben, Spielhallen mit Skeeball oder Bowlingcenter wie das Whitestone Lanes. Vor ein paar Jahren hatte ein höherrangiger Drogendealer aus der Bronx auf dem schummrig beleuchteten Parkplatz davor eine Kugel in den Kopf bekommen. Möglicherweise hatte Baka das Urteil vollstreckt, vielleicht aber auch nicht, aber allein schon die Möglichkeit sorgt dafür, dass sich Alfredos Hoden zusammenziehen.
»Tu so, als würdest du ihn nicht sehen«, sagt Alfredo.
»Alles klar«, sagt Tariq. »Guck mal, wie fett der ist.«
Ein junger Schwarzer, der aktuelle Schützling, hat Baka eine Hand auf die ansehnliche Schulter gelegt. Sie starren in Alfredos Richtung, und Alfredo starrt zurück. Er kneift die Augen zusammen. Er schaut an ihnen vorbei, beobachtet, wie ein Angestellter ins Niemandsland der Kegel hinauskriecht, ein weißes Mädchen mit Locken sich
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