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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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eine Kugel vom Stoßfänger schnappt. Alfredo bewegt den Kopf wie einen Rasensprenger, scannt die Bahnen rechts von Bakas, Bahn 37, Bahn 38, Bahn 39, bis ganz ans Ende des Bowlingcenters. Als er fertig ist, dreht er sich zu Tariq um und zuckt theatralisch die Schultern.
    »Siehst du ihn nicht? Er ist gleich da …«
    »Nicht bewegen«, sagt Alfredo und klappt sein Telefon auf. Er drückt den Arm seines Bruders herunter. »Sieh ihn nicht an. Sieh mich an.«
    »Du rufst ihn an?«
    »Nicht wirklich.« Alfredo hält sich das Telefon so lange ans Ohr, wie es dauern würde, bis ein Telefon ein paar Mal geklingelt hat und die Mailbox angesprungen ist. »Er soll nicht wissen, dass wir ihn schon gesehen haben.«
    »Steck dir einen Finger ins andere Ohr«, sagt Tariq. »Das sieht noch echter aus.«
    Nachdem Alfredo aufgelegt hat, führt er seinen Bruder zum Schuhverleih-Tresen, wo ein Weißer auf einer erhöhten Plattform Wache schiebt. Alfredo fragt ihn, wie viel ein Spind kostet.
    »Fünfzig Dollar im Jahr.«
    »Komm schon«, sagt Alfredo. Die Riesensumme von zweihundert Dollar – sein gesamtes Erspartes – steckt in einer Socke, aber er wird ganz sicher kein Viertel davon für einen Bowlingcenter-Spind verpulvern. »Was kostet die Tagesmiete?«, fragt er. Um in Übung zu bleiben, rechnet Alfredo selbst im Kopf nach: Bei konstanten Preisen dürfte ein Spind etwas weniger als vierzehn Pennies pro Tag kosten.
    »Wir vermieten die Spinde nicht tageweise«, sagt der Mann. Er meidet Blickkontakt, als wäre die Nachricht, die er zu überbringen hat, ganz furchtbar und nicht zu ertragen. Er greift nach einem Schuh und sprüht Desinfektionsmittel hinein. »Wir haben leider nur Jahresmieten. Und die kosten fünfzig Dollar. Wie gesagt.«
    »Wo sind die denn? Ich will mir die erst mal angucken, bevor ich fünfzig Dollar raushaue.«
    Der Mann beugt sich über den Tresen und präsentiert dabei eine frisch mit Haarimplantaten dekorierte Kopfhaut. Jedes Trüppchen eingepflanzter Haare steht stramm, als wären es die ersten kritischen Tage der Grundausbildung. Er zeigt auf eine Reihe von Schließfächern in der Nähe von Bakas Bahn, aber zum Glück nicht zu dicht dran.
    Auf dem Weg zu den Spinden zaubert Alfredo einen weißen Umschlag aus der Tasche. Er schwenkt ihn herum wie ein Magier ein dreifarbiges Tuch. Vor einem hüfthohen Spind kniet er sich hin, wobei sein Kopf beinahe den Körper seines Bruders berührt. Tariq riecht sauber, überwältigend sauber sogar. Bevor sie sich auf den Weg gemacht haben, wollte er »nur kurz unter die Dusche springen«, war dann aber neunzig Minuten dringeblieben und hatte, dem Geruch nach zu urteilen, ein ganzes Stück Seife aufgebraucht. Hinzu kamen noch ein paar Spritzer von Alfredos Duftwässerchen. Im Grunde irgendwie schmeichelhaft. Als er gefragt hat, ob er sich ein T-Shirt leihen könne, eins von Mecca in XL, hat Alfredo es ihm richtig gerne gegeben. Er kniet vor den Schränken, riecht seinen Bruder, sieht sein Shirt, und da spürt Alfredo, wie ihm eine Welle der Liebe in die Brust schwappt. Er hatte nicht um das Gefühl gebeten, und dennoch ist es da, überflutet ihn. Er steckt den Umschlag durch einen Spalt in der Spindtür.
    »Und wie willst du den da wieder rauskriegen?«, sagt Tariq.
    »Darüber mache ich mir weiter keine Sorgen«, sagt Alfredo. »Der ist leer.« Sie gehen zurück zum Schuhverleih. »Ich schulde Baka fünfhundert Dollar, aber so viel Geld hab ich nicht.«
    Tariq bleibt stehen. »Du hast keine fünfhundert Dollar?«
    »Nein, nein, nein, nein, nein. Was ich sagen will, ich gebe einem Fettarsch wie Baka nicht einfach so viel Geld, nur weil er es von mir will. Aber ich hab das Gefühl, er hat irgendeinen Scheiß vor …«
    »Wegen dem Geld, das du ihm schuldest.«
    »Eigentlich wegen einer anderen Kacke. Aber wenn er denkt, ich hab sein Geld in einem der Schränke, wird ihn das in Schach halten. Verstehst du? Er wird keinen Scheiß machen, solange er das Geld nicht hat.«
    »Aha«, sagt Tariq und nickt. »Na ja, ich hoffe, du hast einen Plan B.«
    Dem Weißen hinterm Tresen teilt Alfredo mit, dass er an den verschissenen Spinden kein Interesse hat, aber Bowlingschuhe leihen will. Er verlangt nach einem Paar Größe 10 (tatsächlich hat er Größe 9, aber das soll niemand wissen, nicht einmal ein potenziell verständnisvoller Fremder mit Haarimplantaten), und wie in New Yorker Bowlingcentern so üblich, bittet der Mann Alfredo um seine Timberlands. Die muss er als Sicherheit

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