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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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hinterm Tresen verstauen.
    »Ist nicht ihr Ernst«, sagt Alfredo. Die Bowlingschuhe haben ein Schwindel erregendes Design, bei dem sich rote und hellbraune Karos abwechseln. Die Absätze sind abgelaufen und die Schnürsenkel schmuddelig. Selbst die Einlagen fehlen. Abgesehen von der dünnen Baumwolle seiner Sportsocken wird also nichts Alfredos Füße vor Fußpilz schützen. Und als Garantie, dass er diese lächerlichen Bowlinglatschen nicht klauen wird, muss Alfredo sein wertvolles Paar Timberlands hergeben.
    »Na ja, ich denke mal, wir brauchen vielleicht nur einen Schuh«, sagt der Mann. Er reicht einen Stiefel zurück, den Alfredo mit Freude entgegennimmt. »Und Sie, Sir? Welche Größe brauchen Sie?«
    »Die Treter zieh ich nicht an«, sagt Tariq.
    Der Mann sieht hinab auf Tariqs Knast-Converses. »Tut mir leid, Sir, aber ich fürchte, in Turnschuhen können Sie nicht bowlen.«
    »Was meinen Sie damit, Sie ›fürchten‹?«, sagt Tariq. »Im Ernst. Erklären Sie’s mir. Was fürchten Sie?« Als der Mann keine Antwort gibt, sich einfach umdreht und Alfredos Stiefel in das Schuhfach steckt, sagt Tariq: »Du hältst dich wohl für eine ganz große Nummer, was? Wie du da auf deiner Plattform stehst?«
    Alfredo zieht seinen Bruder weg. Er will, dass Baka Tariq sieht, genauso brandgefährlich. Alfredo vermutet, dass Tariq einmal im Lauf der letzten zweieinhalb Jahre die Fotos von Isabel, die er an die Wände seiner Zelle geklebt hatte, abgenommen hat, und auch wenn er sich nicht vormacht, dass das friedlich abgelaufen ist – er stellt sich vor, wie Tariq sich an irgendeinem bedauernswerten Mithäftling abreagiert hat, so wie jetzt an dem bedauernswerten Mietschuh-Typen –, hält er es doch für möglich, dass Tariq nach eingehender religiöser Einkehr entschied, Blut sei tatsächlich dicker als Wasser. Oder nicht? Es musste im Koran doch etwas in dieser Richtung geben. Aber Alfredo bezweifelt, dass sich in dem Buch etwas fand, das übergewichtige Drogendealer unter Schutz stellt.
    Während sie sich Baka nähern, reißt Alfredo die Hand hoch, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Aus dem Mundwinkel sagt er zu Tariq: »Versuch, einschüchternd zu wirken.«
    »Ah«, sagt der, »ich bin also Plan B.«
    Als sie in Hörweite sind, sagt Baka: »Vielleicht sollten wir dir mal eine neue Brille besorgen.« Er fläzt in einer ledernen Sitznische, die die Bahn am unteren Ende einfasst. Wie es sich für einen Mann des Müßiggangs geziemt, trägt er einen Jogginganzug, und wie es sich für einen Jogginganzugträger geziemt, ist sein Standardmodus der des Dauerlaberns. »Falls du eine neue Brille brauchst – was, glaub mir ruhig, ganz offensichtlich der Fall ist –, kann ich dir unter die Arme greifen. Ich kenn da eine Lady, die bei einem Optimoptiker arbeitet. Kann dir einen derben Rabatt klarmachen. Kleine puerto-ricanische Lady. Sag ihr, ich hab dich geschickt. Erwähn meinen Namen.«
    »Ich hab versucht, dich anzurufen«, sagt Alfredo.
    »Mehlanzeige. Mich hat niemand angerufen.«
    »Zeig mir mal dein Telefon.«
    »Du glaubst mir nicht?«, sagt Baka. Tariq hat sich neben Baka in der Sitznische platziert, und Baka muss den Körper drehen, um mit ihm zu reden. »Ich sollte das doch wissen, oder? Glaub mir – wenn dein Bruder anruft, ist das für uns ein echtes Ereignis. Das schreib ich in mein Tagebuch. Wie eine Sonnenfinsternis, verstehst du? Passiert nicht alle Tage. Und ganz sicher nicht zweimal am Tag. Es sei denn, er braucht was. Dann, ja, klar – dann ruft er an. Aber einfach aus Freundschaft? Nie. Und wenn ich ihn anrufe? Ihm Nachrichten hinterlasse, was ich hasse? Und die Nachrichten dann immer verzweifelter werden, je mehr ich durchdrehe? Vergiss es. Ich bin so etwas wie das Akne-Mädchen auf dem Abschlussball. Kränkt mich zunehmend, du verstehst?«
    »Vielleicht will er dich ja kränken.«
    »Ja, vielleicht.« Baka schüttelt traurig den Kopf. »Scheint mir auch so. In dunkleren Momenten. Am schlimmsten ist es, wenn ich mir Sorgen mache, dass ihm was passiert ist. Pierre hier – hab ich dir Pierre schon vorgestellt?« Er deutet auf den schwarzen Jungen, der mit dem Rücken zu ihnen in einem Sessel sitzt. Er kratzt sich im Nacken und gibt in den zur Bahn gehörigen Computer Namen ein: aus reiner Bosheit, oder auch nicht, hat er statt »Alfredo« »Alfraido« geschrieben. »Pierre meint«, sagt Baka, »ich hätte eine Katastrophenfantasie. Schon mal davon gehört? Katastrophenfantasie? Ich auch nicht. Was mir

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