Die Prinzessin auf der Erbse
war wie seit Wochen nicht.
Er verbrachte den Sommer im Wasserschloss und gedachte erst im Herbst auf das Schloss seines Vaters zurückzukehren, wenn er Glück hatte mit einer Braut. Seit Langem schon suchte er die vollkommene Prinzessin. Schön sollte sie natürlich sein und sittsam, von schlanker Gestalt und mit seidigem Haar. Geschmeidig und zart stellte er sie sich vor, aber auch von einer gewissen Sinnlichkeit. Katharina, seine Haushälterin, hatte außerdem gemeint, dass eine richtige Prinzessin äußerst zart besaitet sein sollte, und hatte dafür einen Test erdacht. Unter der Matratze im Gästegemach lag eine getrocknete Erbse.
Zwei Prinzessinnen, eine Fürstentochter und drei Edeldamen waren diesen Sommer bereits auf dem Wasserschloss zu Besuch gewesen. Viele von ihnen hatten sich beschwert, dass sie sehr unbequem gelegen hätten.
Richard hatte jede wieder weggeschickt, ohne ihr einen Antrag gemacht zu haben. Er wusste nicht, woran es lag, aber keine der Frauen, so schön sie auch sein mochten, hatte sein Herz berührt. Keine hatte in ihm den Wunsch erweckt, sein Leben an ihrer Seite zu verbringen.
Es klopfte an der Tür des Studierzimmers. Richard wandte sich um und rief: „Herein.“
Katharina betrat den Raum, sah ihn auf der Terrasse stehen und trat zu ihm. „Herr, ich möchte Euch Bescheid geben, dass wir zwei Frauen Obdach gewähren, die bei dem Gewitter Schutz gesucht haben. Sie waren durchnässt und sahen aus, als hätten sie einen langen, beschwerlichen Ritt hinter sich. Die Hände voller Schwielen, die Gesichter sonnenverbrannt, die Haare verdreckt. Ich habe Weisung gegeben, dass man sich liebevoll um sie kümmert. Das ist gewiss in Eurem Sinne.“
Richard lächelte. „Ja, Katharina, das ist es. Du hast recht getan.“ Schon als kleiner Junge hatte er ein Herz für Menschen gehabt, denen es nicht so gut ging wie ihm. Sehr zum Missfallen seines Vaters hatte er im Winter immer wieder Bettler ins Schloss eingeladen, damit sie sich aufwärmen konnten. Schließlich hatte sein Vater auf Richards Drängen hin außerhalb der Schlossmauern ein Haus errichtet, das allen zur Verfügung stand, die Schutz suchten.
„Wo sind die beiden jetzt?“, fragte er.
„Im Gästegemach. Sie schlafen tief und fest. Dies hier habe ich bei einer von ihnen gefunden.“ Katharina reichte ihm ein Stoffbündel und einen Dolch in einer Lederscheide. „Ich dachte, Ihr solltet es besser für die Damen aufbewahren.“
Richard bedankte sich. Als Katharina gegangen war, setzte er sich an den Studiertisch, rollte das Pergament zusammen und breitete den Schmuck aus. Es waren edle Stücke, kein billiger Tand. Nur Könige konnten sich solche Preziosen leisten. Als Nächstes inspizierte er den Dolch. Feinste Arbeit, eine Klinge ohne Scharten. Auf der Scheide prangte das Wappen des Hauses Dreibergen.
Richard lehnte sich zurück und lächelte. Vor einer Woche war ein Gesandter König Karls vorbeigekommen und hatte berichtet, dass Prinzessin Riana und ihre Zofe Emma gesucht wurden. Sie waren auf Pferden unterwegs mit unbekanntem Ziel.
Kein Zweifel, seine beiden Gäste mussten die Gesuchten sein. Morgen könnte er sie fragen, was der Grund für ihre Flucht war. Auch wenn der Gesandte nichts Derartiges behauptet hatte, so war Richard doch sicher, dass keine Prinzessin einfach zum Spaß durch die Gegend ritt. Ein Wunder überhaupt, dass sie unbeschadet so weit gekommen war. Durch ganz Finsterwalde musste sie geritten sein!
Was also mochte sie dazu bewegt haben? Richard wusste über die jüngste Tochter König Karls nur das, was fahrende Sänger berichteten. Eine kleine Traumtänzerin sollte sie sein, ungeschickt in häuslichen Dingen und noch recht kindlich für ihre achtzehn Lenze.
Richard knotete den Schmuckbeutel wieder zu. Zusammen mit dem Dolch legte er ihn in den abschließbaren Schrank, in dem er seine wertvollsten Besitzstücke aufbewahrte. Danach ging er in den Stall, um sich zu überzeugen, dass es den Gastpferden gut ging. Sie waren gestriegelt und gefüttert worden. Er streichelte die weichen Nüstern und betrachtete im Licht der Stalllaterne die beiden Sattel, die über einem Holzbock lagen. Auch hier fand er das Wappen von Dreibergen.
Natürlich war es möglich, dass die Frauen in seinem Gästezimmer gar nicht Riana und ihre Zofe waren, sondern Diebinnen, die sich deren Pferde angeeignet hatten. Daher beschloss Richard, auch noch einen Blick auf seine Gäste zu werfen.
Lautlos betrat er das Gemach. Er hatte keine
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