Die Prinzessin auf der Erbse
von ihr gelernt. Zuweilen schlich Emma sich nachts davon und traf sich mit einem Diener oder Stallburschen. Riana fragte sich oft, was sie wohl miteinander taten und wieso Emma am nächsten Morgen immer so erschöpft, aber zufrieden wirkte. Sie hatte noch nicht gewagt, sie danach zu fragen.
Riana wollte umdrehen und zur Treppe zurücklaufen, da es ungehörig war, zu lauschen, doch da hörte sie etwas, dass sie sofort wieder erstarren ließ.
„Sei unbesorgt“, sagte der König. „Es hat bereits jemand um ihre Hand angehalten. Und ich habe ihm Riana freudig versprochen.“
„Ohne mich zu fragen?“, wunderte sich ihre Mutter.
Ohne
mich
zu fragen!, schoss es Riana durch den Kopf.
„Um wen handelte es sich denn?“, fragte ihre Mutter. „Ist er wenigstens ein Edelmann?“
„Er ist ein König“, hörte sie die triumphierende Stimme ihres Vaters.
Riana runzelte die Stirn. Ein König? In keinem der angrenzenden Königreiche gab es einen König, der jung genug war für eine Ehe mit ihr.
„Ein König?“, staunte ihre Mutter.
„Ja, es ist kein geringerer als König Ottobart von Hochhauenstein.“
Oh nein, bitte nicht!
Ottobart war schon über dreißig Jahre alt, und wenn er zu Besuch kam, mied Riana ihn so gut es ging, da sein Verhalten sie erschreckte. Wenn sie nur daran dachte, wie er beim letzten Festbankett ständig versucht hatte, ihren Oberschenkel zu tätscheln, wurde ihr ganz schlecht. Sie hatte ihm schließlich auf die Finger gehauen, womit sie ihn allerdings nicht lange im Zaum halten konnte. Schließlich kam Emma ihr zu Hilfe, indem sie beim Nachschenken Rianas Weinbecher umstieß, sodass sich die rote Flüssigkeit über Ottobarts Schoß ergoss. Wütend war er aufgesprungen, hatte Emma ein ungeschicktes Huhn gescholten und sich ans andere Ende der Tafel gesetzt.
Sicher würde auch ihre Mutter nicht zulassen, dass sie mit diesem grässlichen Menschen verheiratet wurde.
„Ach ja?“, sagte ihre Mutter. „Ist er nicht verwitwet?“
„Genau und darum nicht mehr so wählerisch. Eine wirklich gute Partie für unser Sorgenkind.“
Sorgenkind? Den Tränen nahe, stürmte sie in den Salon. „Niemals, nie nie, niemals heirate ich König Ottobart. Das könnt ihr nicht von mir verlangen.“
„Es wird dir keine andere Wahl bleiben“, sagte ihr Vater.
Verzweifelt ballte Riana die Hände zu Fäusten. „Lieber bleibe ich unverheiratet.“
„Es steht einem König nicht gut an, wenn eine seiner Töchter bei Hofe versauert.“
„Ich versauere nicht. Ich bin sehr glücklich hier. Ich habe Emma und Molli und …“
„Deine Stute Molli kannst du natürlich mitnehmen. Emma allerdings muss hierbleiben. Ottobart hat ausdrücklich gesagt, dass er sie nicht an seinem Hofe zu sehen wünscht.“
Riana warf ihrer Mutter einen Hilfe suchenden Blick zu, doch die zuckte nur die Schultern. „Dein Vater hat recht. Ottobart ist eine gute Partie. Und bedenke, er ist nicht mehr so ungestüm wie ein jüngerer Mann“, fügte sie mit dem kläglichen Versuch eines aufmunternden Lächelns hinzu.
Riana verstand nicht, wie ihre Mutter das meinte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weigere mich, ihn zu heiraten.“
„Das wird dir nichts nützen.“ Ihr Vater deutete auf ihr dünnes Nachthemd. „Wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, dass du ein hoffnungsloser Fall bist, dann hast du ihn soeben geliefert, indem du unschicklich gekleidet mitten in der Nacht durchs Schloss geisterst, anstatt artig in deinem Bett zu liegen und süße Träume zu träumen. Ottobart wird mit dir alle Hände voll zu tun haben.“
Riana musste unwillkürlich an die grapschenden Hände von König Ottobart denken. Tränen brannten in ihren Augen. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschluchzen, drehte sich um, raffte das Nachthemd und rannte in ihre Gemächer, wo sie sich aufs Bett fallen ließ und das Kissen mit den Fäusten bearbeitete.
Nach einer Weile fühlte sie eine Berührung an der Schulter und wollte sie schon abschütteln, da sie dachte, es wäre ihre Mutter, die sie mit schalen Worten trösten wollte, doch dann hörte sie Emmas Stimme: „Meine liebste Herrin, habt Ihr schlecht geträumt?“
Riana drehte sich um und sah zu Emma hoch, die an ihr Bett getreten war und besorgt auf sie herabsah. „Ach, ich wünschte es wäre nur ein böser Traum gewesen. Doch es ist die schreckliche Wahrheit. Mein Vater will mich mit König Ottobart vermählen.“
Emma setzte sich an die Bettkante und streichelte
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