Die Prinzessin auf der Erbse
Rianas Haar. „Das kann er nicht ernst meinen. Sicher will er Euch mit diesem Schock nur dazu bringen, Euch mehr Mühe zu geben. Dass Corinna und Andrea nun verheiratet sind, hat sicher eine große Lücke in seinem Leben hinterlassen.“
Riana hob den Kopf. „Was für eine Lücke soll das sein? Das Geräusch eines Webrads? Oder der Anblick flinker Finger, die einen Wandteppich knüpfen?“
„Er liebte es, zu lauschen, wenn Andrea Laute spielte und Corinna dazu sang.“
Schmerz durchzuckte Riana, als sie daran dachte, wie glücklich ihr Vater immer ausgesehen hatte, wenn ihre Schwestern musizierten. Sie hatte ihm nie ein solches Lächeln entlocken können. „Wäre ich ein Prinz“, sagte sie bitter, „so wäre er stolz darauf, dass ich reiten kann. Er hätte mir erlaubt, Fechten zu lernen, und so hätte ich es nicht heimlich mit dir üben müssen.“ Niedergeschlagen fügte sie hinzu: „Das Schlimmste weißt du noch gar nicht. Ottobart gestattet nicht, dass ich dich an seinen Hof mitbringe.“
Emma schlug die Hände vor den Mund. „Hätte ich doch nur damals nicht den Wein über ihn verschüttet. Das ist nun die Strafe.“
„Mach dir keine Vorwürfe. So oder so wäre ich lieber tot, als ihn zu heiraten.“ Sie schwieg eine Weile, versunken in ihre verzweifelten Gedanken. Selbst das Mondlicht, das ihre Körper umschmeichelte, konnte sie nicht trösten.
Nach einer Weile fragte Emma: „Was werdet Ihr tun? Ins Kloster gehen?“
Riana schüttelte den Kopf. Dort wäre sie sicher ebenso fehl am Platz wie an einem Königshof. „Es gibt nichts, was ich tun könnte. Darum bin ich ja so verzweifelt.“
„Oh doch, es gibt etwas“, sagte Emma. „Allerdings ist es gefährlich.“
Voller Hoffnung sah Riana ihre Zofe an. „Was ist es?“
„Ihr könntet — ich meine
wir
könnten fliehen.“
In dieser Nacht, in der an Schlaf sowieso nicht zu denken war, plante Riana mit Emma ihre Flucht. Es war ein großes Wagnis, doch als sie alles besprochen hatten, war die gespannte Vorfreude größer als die Angst.
Am nächsten Tag war Riana beim Morgenmahl zunächst schweigsam, bemerkte dann aber die argwöhnischen Blicke ihrer Eltern. Da wurde ihr klar, dass sie sich weiterhin beklagen musste, wenn niemand Verdacht schöpfen sollte. „Ich konnte kaum schlafen diese Nacht. Immer musste ich daran denken, dass ich bald mit Ottobart vermählt werden soll. Gibt es denn keine Möglichkeit, euch umzustimmen?“
„Ich habe dich König Ottobart bereits versprochen. Wenn ich jetzt einen Rückzieher mache, verliere ich mein Gesicht“, sagte ihr Vater. „Füge dich in dein Schicksal.“
Ihr Mutter legte eine Hand auf Rianas Schulter. „Geh am besten zur Kräuterfrau und lass dir einen Trank geben, damit du in den kommenden Nächten besser schlafen kannst.“
„Danke, Mutter.“ Das hatte Riana sowieso vorgehabt, aber der Trank war keineswegs für sie selbst. Emma würde am Abend bei den Torwachen vorbeischauen und in einem unbeobachteten Moment etwas davon in den Weinkrug tun, aus dem die Wachmänner in ihren Pausen tranken.
Nachdem sie den Trank besorgt hatte, gab sie ihn sogleich an Emma weiter, mit der sie sich im Stall traf. Emma packte Proviant in die Satteltaschen, den sie aus der Speisekammer besorgt hatte. „Das dürfte für fünf Tage reichen, wenn wir es uns gut einteilen“, sagte sie und versteckte die prall gefüllten Taschen hinter einem Heuballen.
In ihrem Gemach packte Riana sorgfältig ihren Schmuck sowie einige Goldtaler in ein Tuch, das sie stets um den Körper gebunden tragen würde.
Aus der Rüstkammer entwendete sie einen schlanken Dolch, den sie in ihrem Reitstiefel verstecken konnte.
Emma dachte an die praktischen Dinge wie Deckenbündel und Ersatzkleidung. Da sie außer der Reitkleidung nur unpraktische Kleider besaßen, besorgte sie aus der Nähstube Männerkleidung. Zwar hatten sie nicht vor, sich als Burschen auszugeben, aber sie wollten auch nicht sofort als alleinreisende Frauen auffallen.
Beim Abendessen war Riana zu aufgeregt, um Appetit zu haben, aber sie zwang sich, wenigstens den gröbsten Hunger zu stillen, um nicht mit knurrendem Magen loszureiten. Als ihre Mutter besorgt fragte, ob die Aussicht auf die Ehe mit Ottobart ihr auf den Magen geschlagen habe, war Riana für einen Augenblick den Tränen nahe, da sie ihre Mutter wohl nie wiedersehen würde. Hastig schluckte sie gegen den Kloß in ihrem Hals an und nickte nur stumm. Dann gab sie ihrer Mutter einen Gutenachtkuss, was sie
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