Die Prinzessin
Rolls-Royce saßen. Er schloß die Trennscheibe, so daß der Chauffeur und der Gardist, die vorne saßen, nicht mithören konnten. »Der König ist zu krank, um dich mit fester Hand zu leiten, also habe ich diese Pflicht übernommen. Du verhältst dich wie eine ... eine ... Frau aus dem Volk, wenn du mit diesem vulgären Amerikaner zusammen bist. Du hast jede Minute des gestrigen Tages mit ihm verbracht! Wenn du schon nicht auf die Ratschläge deiner Familie hörst, dann denke wenigsten daran, was die Dienstboten sagen. Sie wollen eine Prinzessin, die sich benimmt wie eine von ihnen — sie wollen eine unnahbare Person! Ich habe gehört, daß du es sogar gewagt hast, die königliche Garde auf dem Übungsplatz zu besuchen. Ja hast du denn gar keine Achtung vor der Privatsphäre dieser Männer?«
Aria hielt ihre Hände im Schoß verkrampft. Bei jedem Wort fühlte sie sich ein wenig schlechter. Da drehte sich zu ihrem Erstaunen der Gardist um und zwinkerte ihr zu! Sie hätte fast losgekichert. Julian fuhr fort, ihr Verhalten zu maßregeln, doch jetzt achtete sie nicht mehr darauf. Vielleicht schämte sich ja ihre Familie, aber ihre Untertanen standen zu ihr!
Die Menschen, mit denen sie heute zusammentraf, unterschieden sich sehr von den Weinbauern, die gestern so herzlich zu ihr gewesen waren. Diese Leute steckten in ihren Sonntagskleidern und zeigten nur ihre Schokoladenseiten. Sie lächelten ihr zu, doch sie lachten nicht. Sie waren auf eine unangenehme Art neugierig. Für Aria war die Feier ziemlich anstrengend.
Man schien auch froh darüber zu sein, daß Graf Julian an ihrer Seite in der Menge winkte. Wiederholt »wurde sie gefragt, wann denn die Hochzeit stattfinden würde. »Aber ich bin doch schon verheiratet«, hätte sie am liebsten geantwortet...
Sie wollte gerade in den Wagen steigen, als ihr ein köstlicher Duft in die Nase stieg. Die Menge teilte sich, und in einiger Entfernung sah sie, wie eine alte Frau ein Fladenbrot für einen kleinen Jungen zurechtmachte. Aria kannte diesen typisch lankonischen Imbiß, denn sie hatte ihn als Kind schon einmal genießen dürfen: dick eingekochtes, mit Trauben zubereitetes Hühnerfleisch wurde in ein noch ofenwarmes, knuspriges Fladenbrot gefüllt und mit irischem Ziegenkäse bestreut.
Aria lief das Wasser im Mund zusammen. Es war ein Uhr mittags, und sie hatte Hunger. Ohne lange zu überlegen, drehte sie sich um und lief durch die Menge zu dem Haus der alten Frau.
»Könnte ich auch so ein Brot haben?« fragte sie die erstaunte Frau.
Die alte Frau stand wie eine Salzsäule und starrte sie fassungslos an.
»Oma! Die Prinzessin will auch ein Brot!« rief der kleine Junge. Der Ruf brachte die Frau wieder zur Besinnung. Mechanisch löffelte sie Huhn auf das Brot, streute Ziegenkäse darüber und bot es Aria verlegen an.
»Ich danke Ihnen«, sagte Aria und biß hungrig hinein. Ihr fiel plötzlich auf, daß die Menge still geworden war. Sie drehte sich um, leckte ein bißchen Sauce von der Unterlippe und meinte fröhlich: »Es schmeckt herrlich!« Die Menge brach in tobenden Beifall aus.
Vier Gardisten waren ihr gefolgt. Einer reichte ihr ein frisches Taschentuch als Serviette.
»Prinzessin«, rief die helle Stimme neben ihr. Sie sah freundlich auf den kleinen Jungen herunter, der ihr einen Steingutbecher entgegenhielt. »Das ist Buttermilch!«
Aria nahm ihm lächelnd den Becher ab. »Danke sehr.«
Der kleine Junge grinste. »Du benimmst dich gar nicht wie ’ne richtige Prinzessin!«
»Das war ein wunderschönes Kompliment. Das schönste, das ich je bekommen habe«, erwiderte sie lächelnd. Die Menge schrie vor Begeisterung. Die Gardisten hatten alle Mühe, sie wieder sicher zum Wagen zu bringen.
Julian schäumte vor Wut. Während sie zum Palast zurückführen, schalt er sie nach allen Regeln der Kunst aus. Sie achtete nicht darauf, sondern verspeiste genußvoll ihr Brot und trank die erfrischende Buttermilch dazu.
Als sie im Palasthof ankamen, öffnete ihr der Gardist, der neben dem Chauffeur gesessen hatte, den Wagenschlag. Aria gab ihm den Becher. »Ich würde der Frau gern für den köstlichen Imbiß danken. Könnten Sie bitte herausfinden, was sie besonders nötig braucht?«
»Ich habe bemerkt, daß ihr Hühnerhof leer war«, erwiderte der Gardist leise.
»Füllen Sie ihn wieder auf«, befahl Aria, bevor Julian dazwischentreten konnte. »Wissen Sie vielleicht auch, wo sich Lieutenant Montgomery aufhält?« flüsterte sie.
»Er befindet sich auf dem
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