Die Prinzessin
Julian in einer riesigen Limousine eintraf. Arias ungewöhnliches Verhalten entsetzte ihn zutiefst. Fast kreischend forderte er sie auf, ihren Termin bei der Historischen Gesellschaft wahrzunehmen.
Aria zog, ihn zum Wagen, bevor er Gena in ihrem knappen Kleid entdecken konnte. Zusammen mit vier Wachen rauschten sie davon.
In den nächsten vier Tagen gestattete sich Aria keine Nachlässigkeiten mehr. Morgens ritt sie zusammen mit Julian und sechs Gardisten aus, dann beantwortete sie bis zehn Uhr Anfragen von Untertanen. Danach verließ sie den Palast, um eine Verpflichtung nach der anderen zu erfüllen. Jarl ließ sich nicht blicken.
Am fünften Morgen saß sie gerade beim Frühstück, als J. T. hereinstürmte. Er sah müde aus. »Franks Flugzeug landet gleich.«
Aria trank schnell ihren Tee aus, dann lief sie ihm — sehr zum Erstaunen ihrer Verwandten — eilig hinterher. Erst als sie zum Flughafen fuhren, sagte er etwas.
»Ich habe dich sehr vermißt«, flüsterte er heiser. Er nahm ihre Hand, küßte sie und hielt sie innig fest. Ein paar Minuten saßen sie schweigend da, dann fingen sie beide zugleich an zu reden.
J. T. erzählte, wie er achtzehn Stunden am Tag durch das Land gefahren war, um den Weinbauern zu erklären, wie man Rosinen trocknete. Zweimal hatte er mit Präsident Roosevelt gesprochen, und es sah so aus, als ob Amerika ihnen die Rosinen abkaufen würde. »Aber nicht soviel, wie ich es gehofft habe«, seufzte J. T. »In Kalifornien gibt es schließlich genug Rosinen. Es muß noch eine andere Möglichkeit geben, diesem Land zu helfen. Das werden wir schon schaffen.«
»Wir«, flüsterte Aria. »Wir.«
Als sie am Flughafen ankamen, waren die beiden amerikanischen Maschinen gerade gelandet. Aus dem ersten Flugzeug stiegen ein paar ältere Männer und etwa hundert Soldaten. Sie sollten das Vanadium verladen.
Aus der zweiten Maschine stieg ein großer Mann von unbestimmbarem Alter. Er hätte ebenso zwanzig wie fünfundvierzig sein können. Auf einem muskulösen Körper saß ein gutgeformter, kantiger Schädel. Dunkle Haare und finstere Augen vollendeten das Bild.
»Das ist Frank«, sagte J. T., nahm Aria bei der Hand und zog sie hinter sich her auf den Hünen zu.
»Der soll siebzehn Jahre alt sein? Warum sieht er so böse aus?«
»Er wurde schon so geboren. Aber laß dir von ihm keine Angst einjagen. Im Grunde ist er ein guter Junge.«
Aria blieb zurück, als sich J. T. und Frank die Hände schüttelten.
»Darf ich dir ihre Königliche Hoheit Prinzessin Aria vorstellen?« sagte J. T.
»Hallo«, sagte der Junge und streckte ihr die Hand hin. Aria ergriff sie, während sich Frank schon wieder nach J. T. umdrehte und sie total zu vergessen schien.
»Wann können wir anfangen, zu arbeiten? Ich habe alle erforderlichen Werkzeuge dabei. Sobald die Kisten ausgeladen sind, bin ich bereit.«
Aria schaute gerade zum Flugzeug, als drei Kinder die Treppe hinuntergeführt wurden. Sie zupfte J. T. am Ärmel. »Was sind das für Kinder?«
J. T. wandte sich an einen Piloten. »Woher kommen die Kinder?«
»Es sind Waisen aus Frankreich. All ihre Verwandten sind tot. Ein paar Kerle haben sie an Bord geschmuggelt. Jetzt haben wir sie am Hals. Hoffentlich finden wir jemanden, der sie uns abnimmt.«
Blitzartig schoß ein Gedanken durch Arias Kopf. Noch ehe sie recht wußte, was sie eigentlich wollte, hörte sie sich sagen: »Ich nehme die Kinder.«
»Aber, Hoheit«, ertönte entsetzt Lady Wertas Stimme hinter ihr. Sie war ihr zum Flugplatz gefolgt, und jetzt warf sie Aria warnende Blicke zu.
Aria schaute den Piloten an und streckte ihr Kinn nach vom. Ihre Stimme schallte klar bestimmt über den Platz: »Ich werde diese Kinder zu mir nehmen. In Lankonien wird jedes verwaiste Kind aufgenommen, das Sie finden.«
Der Pilot erwiderte höchst belustigt: »Lady, wir haben Krieg! Europa wimmelt von Waisenkindern! Das Land hier scheint mir nicht wohlhabend genug zu sein, um die ganzen Gören sattzukriegen!«
J. T. trat vor. »Wenn Ihre Königliche Hoheit die Kinder aufnehmen will, dann haben Sie nicht zu widersprechen, Freund! Wir nehmen hier alle Kinder auf, gleich aus welchem Land sie stammen. Wir werden sie schon sattkriegen, da machen Sie sich mal keine Sorgen!«
Offenbar behagte dem Piloten J. T’s bestimmte Haltung ganz und gar nicht. Er gab nach. »Okay, Kumpel, ich halte ja schon den Mund. Wenn Sie unbedingt Kinder haben wollen, dann können Sie sie auch kriegen.«
Sehr zufrieden mit ihrem Ehemann
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