Die programmierten Musen
beteiligten wichtigen Persönlichkeiten gegangen, hätte man sie zweifellos still liquidiert – wenn auch nicht sofort, denn das hätte das Mißtrauen wieder wach werden lassen; nein, man hätte ihre Todesfälle über eine Zeit von zwanzig Jahren gestreckt. Aber auch diese natürlich bemessene Todesfolge hätte das Interesse an der Sache wachgehalten, und im Augenblick ging es darum, die Sache völlig ins Vergessen abgleiten zu lassen.
In einem solchen Falle hätten die Eierköpfe, obwohl sie hilflos waren wie Gelähmte, dann auch mit ihrem scharfen Verstand ums Überleben gekämpft; sie hätten Verbündete gefunden unter den ehrgeizigen Kleingeistern ihrer Pfleger und hätten notfalls den ganzen Fall wieder vor Gericht gebracht. Auch gab es unter den Verantwortlichen eine große Minderheit, die schon immer angenommen hatte, daß die Unsterblichkeit der Eierköpfe ein Wunschdenken Zukies und der Presse und der Menschen ganz allgemein gewesen war und daß die Eierköpfe ohnehin bald an unvorhergesehenen technologischen Mängeln ihres Konservierungsprozesses oder durch winzige Fehler ihrer Pflegerinnen sterben würden – oder daß der unnatürliche körperlose Zustand sie zumindest bald in den Wahnsinn treiben mußte.
An diesem Punkt betritt eine weitere großartige Gestalt die Bühne – kein Universalgenie, doch in mancher Beziehung ein bemerkenswerter Mann, ein Science-Fiction-Verleger in der großen alten Tradition Hugo Gernsbacks. Es war Hobart Flaxman, mein Vorfahr und Gründer des Raketen-Verlages. Er ist ein enger Freund Zukertorts gewesen, ein unermüdlicher Helfer mit Geld und Zuspruch, und Zukie hatte ihn zum Leiter des Gehirntrusts bestimmt. Jetzt trat er ans Licht der Öffentlichkeit und verlangte seine Rechte – die Aufsicht über die Gehirne – und da er mehreren führenden Persönlichkeiten als verläßlich bekannt war, bot er einen einfachen Ausweg. Der Gehirntrust wurde ›Ewige-Weisheit‹ getauft, ein Name, der aufgrund seiner offensichtlichen Falschheit gewählt wurde, und steuerte in aller Stille auf eine gepflegte Vergessenheit zu.
Nicht alle seine Nachfahren haben dem alten Hobart das Wasser reichen können, aber wenigstens haben sie den Trust fortgeführt. Die Gehirne sind fürsorglich und liebevoll gepflegt worden und haben eine ständige Diät an Weltnachrichten und anderen gewünschten Informationen erhalten – wenn ich’s mir recht überlege, wie eine Wortmaschine, deren Vokabular auch ständig auf dem laufenden gehalten wird. In den ersten Jahren bestand mehrmals die Gefahr, daß die Gehirne wieder in die Schlagzeilen rückten, aber die Krisen wurden erfolgreich gemeistert. Mit den lebensverlängernden Entdeckungen, die heute vor der Tür stehen, stellen die Gehirne keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr dar; trotzdem behalten wir die Geheimniskrämerei bei – hauptsächlich aus Bequemlichkeit.
Mein lieber Vater, zum Beispiel, war kaum ein sehr unternehmungslustiger Mann. Und ich … also, das steht hier nicht zur Debatte.
Jetzt fragen Sie mich bestimmt –« (Gaspard fuhr auf und machte sich klar, daß Flaxman mit zitterndem Finger auf ihn wies) »– jetzt fragen Sie mich bestimmt, warum der alte Hobart seinem Ruf als erfindungsreicher Verleger nicht gerecht geworden ist, warum er die schriftstellerischen Fähigkeiten der Gehirne nicht erkannt, sie zum Schreiben ermuntert und ihre Werke dann veröffentlicht hat, unter falschen Namen natürlich und mit aller Vorsicht! Also, die Antwort ist, daß damals gerade die Wortmaschinen aufkamen. Sie schwammen ganz oben, da die Leser von Autoren mit Individualität fast ebenso die Nase voll hatten wie die Redakteure; das Volk liebte das reine Opium der Wortmaschinenprodukte, und die Verleger hatten gar keine Zeit, an etwas anderes zu denken, noch weniger war es finanziell vertretbar. Aber jetzt –« (Flaxmans Augenbrauen schossen fröhlich in die Höhe) »– jetzt gibt es keine Wortmaschinen und auch keine Autoren mehr, und die dreißig Gehirne haben freie Bahn. Stellen Sie sich das nur vor!« Er breitete flehend die Hände aus. »Dreißig Autoren, die jeder für sich fast zweihundert Jahre Zeit hatten, Material zu sammeln und ihre Meinung reifen zu lassen, die Tag um Tag gleichmäßig arbeiten können, ohne abgelenkt zu werden – kein Sex, keine Familienprobleme, keine Magengeschwüre, nichts!
Dreißig Autoren aus der Zeit vor hundert Jahren – das allein ist schon ein gewaltiges Verkaufsargument; die Leute haben immer
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