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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Spiel mit Worten – dies alles war und blieb für ihn ein Wunder. So war es also klar, wer sein Gehirn bei ihm einlegen lassen konnte, wenn Zukie seine Pläne verwirklichen durfte: schöpferisch tätige Menschen – Maler, Bildhauer, Komponisten –, aber vor allen Dingen Autoren.
    Nun ist das mindestens in zweifacher Hinsicht eine sehr gute Idee: Zum ersten kamen gerade die Wortmaschinen auf, und zahlreiche richtige Autoren hatten keine Arbeit; zum zweiten waren vermutlich nur Autoren verrückt genug, bei Zukies Plänen mitzumachen. Er war in mancher Beziehung ein sehr kluger Mann – er wußte, daß seine Tätigkeit auf starke Opposition stoßen würde, und knüpfte seine Kontakte daher im geheimen, beschaffte sich Genehmigungen, richtete sich ein eigenes Forschungskrankenhaus ein – nach außen hin für gerontologische Studien –, und organisierte das Ganze praktisch auf der Basis einer Geheimgesellschaft. Als die Sache schließlich doch bekannt wurde, hatte er bereits dreißig Gehirne – ausschließlich Autoren – auf Konserven gezogen, und er verschränkte die Arme, bleckte der Welt die Zähne und forderte sie auf, Sturm zu rennen.
    Und das tat sie. Wie Sie sich vorstellen können, gab es einen gewaltigen Stunk. Jede denkbare Organisation – von den kleinkarierten Berufsvereinigungen bis hin zu verrückten Kults – fand Ansatzpunkte zu lautstarker Kritik. Die meisten fanden sogar sechs oder sieben. Eine Kirche behauptete, Zukie verweigere den Sterblichen die Erlösung, während eine Gruppe der Anti-Grausamkeits-Damen forderte, die Gehirne müßten sofort von ihrem Leid erlöst werden, wie sie ihr Euthanasieverlangen nett umschrieben.
    Über alle anderen Klagen erhob sich natürlich die Enttäuschung, die jeder Zweibeiner von hier bis zum Jupiter empfand. Da wurde nun die Unsterblichkeit auf einem Tablett serviert oder zumindest in einer Konservendose – mit Einschränkungen, gewiß, aber immerhin Unsterblichkeit – Gehirngewebe, das nicht mehr abstarb. Warum stand das nicht jedermann zur Verfügung? Man sollte schleunigst dafür sorgen – oder …
    Nach Auffassung von Juristen hat es keinen rechtlich-soziologischen Fall gegeben, der dem ›Eierkopf-Fall‹ – wie er von einigen Reportern genannt wurde – in seiner schier wahnsinnigen Vielzahl von Verfügungen und Gegenverfügungen, in seinen siebenundfünfzig verschiedenen Gutachtermeinungen, in seinem vollen Spektrum denkbarer Anwürfe gleichkam. Es war schwer, an Zukie heranzukommen, der sich klug abgesichert hatte. Er konnte tadellose notarielle Genehmigungen aller Betroffenen vorweisen, und jedes seiner Gehirne unterstützte ihn im Zeugenstand. Er hatte außerdem das Vermögen, das ihm seine Erfindungen eingebracht hatten, auf eine Stiftung übertragen, die er den Gehirntrust nannte und die langfristig für die Gehirne sorgen sollte.
    Am Vorabend des vermutlichen Hauptprozesses ließ Zukie die Sache für immer platzen. Nein, er starb nicht vor Gericht an einem Herzversagen – ein solches Ende war nichts für unseren Zukie.
    Er hatte einen fähigen Assistenten. Dieser Junge hatte die Psychosomatische Scheidung – Zukies Bezeichnung für die Operation – dreimal mit gutem Ergebnis vollzogen; beim letzten Mal hatte der Maestro nur zugeschaut und hatte nicht einmal eingreifen müssen. So ließ Zukie nun die Operation an sich selbst vornehmen! Vermutlich nahm er an, daß die Welt ihm und seinen dreißig Autoren nichts mehr antun konnte, wenn er erst einmal sicher in einem Metallbehälter untergetaucht war. Inzwischen hatte er sich richtig in die soziologischlegalen Aspekte des Verfahrens hineingekniet – er war immer schon ein Kämpfer gewesen! –, und er dachte wahrscheinlich, daß seine Aussage aus dem Metallbehälter heraus das entscheidende spektakuläre Element sein könnte, das die Waagschale zu seinen Gunsten ausschlagen ließ.
    Und vielleicht wollte auch er seinen Anteil an der Unsterblichkeit und der mystischen Erkenntnis. Wahrscheinlich gefiel ihm die Vorstellung, Tausende von Jahren in einer Welt der Ideen zu leben – schweben ist wohl das bessere Wort – und dabei nur zu ruhen und sich an den Erkenntnissen seiner dreißig hochverehrten Genossen zu erfreuen, nachdem er in seinem Körper fünfzig Jahre lang so schrecklich aktiv gewesen war. Jedenfalls glaubte er, sein Talent zumindest an eine andere Person weitergegeben zu haben und nun das Recht zu besitzen, den Rest seines Lebens auf eigenes Risiko zu verbringen.
    Zukie starb auf

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