Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
Vom Netzwerk:
und sah sich hilflos nach Cullingham um.
    »Hal-lo, Rostchen«, begann dieser sofort, zuerst noch ein wenig tonlos, als wollte er wie eine Maschine sprechen oder sich einer Maschine verständlich machen. »Ich bin G. K. Cullingham, Inhaber des Raketen-Verlages zusammen mit Quintus Horatius Flaxman, der hier neben mir sitzt und im Augenblick auch Verwalter der Stiftung Ewige-Weisheit ist.« Mit überzeugender Klarheit schilderte er dann die derzeitige Notlage des Verlagswesens und fügte daran den Vorschlag, die Gehirne sollten sich wieder dem Verfassen von Literatur zuwenden. Dabei wich er der Frage der Anonymität aus, erwähnte aber kurz das Thema Programmieren (»übliche redaktionelle Zusammenarbeit«), beschrieb attraktive Möglichkeiten der Honorargestaltung und beendete seinen Vortrag mit einigen wohlformulierten Bemerkungen über literarische Traditionen und Aspekte der Autorenschaft im Wandel der Zeiten.
    »Ich glaube, damit wäre alles gesagt, Flaxie.«
    Der kleine dunkelhaarige Verleger nickte – allerdings ein wenig krampfhaft.
    Schwester Bishop stöpselte einen Lautsprecher in die leere Buchse.
    Lange Zeit herrschte absolutes Schweigen. Schließlich konnte es Flaxman nicht mehr aushalten und fragte heiser: »Schwester Bishop, ist etwas nicht in Ordnung? Ist er da drin gestorben? Oder funktioniert der Lautsprecher nicht?«
    »Funktionieren, funktionieren, funktionieren, funktionieren, funktionieren«, sagte das Ei sofort. »Das ist alles, was einem bleibt. Denken, denken, denken, denken, denken. Oh-weh-o-wei-o-wei.«
    »Das ist sein Kode für einen Seufzer«, erläuterte Schwester Bishop. »Die Bälger haben auch Lautsprecher, auf denen sie Geräusche nach Wahl machen und sogar singen können, aber die lasse ich nur an Wochenenden und Feiertagen zu.«
    Es folgte ein weiterer ungemütlicher Moment des Schweigens, dann sagte das Ei sehr schnell: »Oh, meine Herren Flaxman und Cullingham, Ihr Vorschlag ist eine Ehre, eine große Ehre, aber sie ist zu groß für uns. Wir sind viel zu sehr von der Welt abgeschnitten gewesen, um euch fleischgebliebene Geister bei eurer Unterhaltung zu beraten oder womöglich solche Unterhaltung selbst zu liefern. Wir dreißig Körperlosen leben unser kleines gemeinsames Leben und haben unsere kleinen Vorurteile und Hobbys. Das reicht. Übrigens spreche ich hier auch im Namen meiner neunundzwanzig Brüder und Schwestern und nicht nur für mich allein – in den vergangenen fünfundsiebzig Jahren haben wir in solchen Angelegenheiten keine Meinungsverschiedenheiten mehr gehabt. Ich muß Ihnen also danken, meine Herren Cullingham und Flaxman, ich danke Ihnen vielmals, aber die Antwort ist nein. Nein, nein, nein, nein, nein.«
    Aufgrund des gleichmäßigen Tonfalls ließ sich nicht sagen, ob die Unterwürfigkeit der Formulierung nun ernst oder ironisch gemeint war oder etwa eine Mischung aus beidem darstellte. Jedenfalls machte die Beredsamkeit des Eis Flaxmans Zurückhaltung ein Ende, und er half seinem Partner nach besten Kräften, das Ei mit logischen Argumenten, mit Versprechungen, Bitten, Beschwörungen und dergleichen zu überhäufen, während sogar Zane Gort hier und da eine wohlformulierte Ermutigung einflocht.
    Gaspard, der kein Wort sagte und nachdenklich auf Schwester Bishop zusteuerte, flüsterte dem Roboter im Vorbeigehen zu: »Gut gemacht, Zane. Ich hätte angenommen, du würdest Rostchen komisch finden – unrobotisch, wie du einmal gesagt hast. Immerhin ist er ein unbeweglicher Denkapparat. Wie eine Wortmaschine.«
    Der Roboter dachte darüber nach. »Nein«, flüsterte er zurück, »er ist zu klein, als daß ich so von ihm denken könnte. Er ist zu … surr … schnucklig, könnte man sagen. Außerdem hat er ein Bewußtsein, was man von den Wortmaschinen nicht sagen konnte. Nein, er ist nicht unrobotisch, sondern eher arobotisch. Er ist ein Mensch wie du. In einem Behälter natürlich, aber das macht keinen großen Unterschied. Auch du lebst in einer Hülle aus Haut.«
    »Ja, die aber Augenöffnungen hat«, sagte Gaspard.
    »Rostchens Behälter doch auch!«
    Flaxman starrte aufgebracht herüber und legte den Finger an die Lippen.
    Inzwischen hatte Cullingham mehr als einmal darauf hingewiesen, daß sich die Gehirne um den allgemeinen Unterhaltungswert des von ihnen produzierten Materials nicht zu sorgen brauchten, weil er als Leiter des Lektorats die volle Verantwortung dafür übernehmen würde. Währenddessen redete Flaxman in ziemlich überschwenglichen Tönen

Weitere Kostenlose Bücher