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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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hatten. Einige der urzeitlichen Autoren und Autorinnen, so war es überliefert, hatten tatsächlich auch später noch literarische Meisterwerke geschaffen, die in beschränkter Auflage auf eigene oder auf Kosten semantischorientierter Universitäten veröffentlicht wurden. Aber für ihre Nachfahren war das schöpferische Schreiben dann nur ein lebenslanger Traum gewesen, der mit den Jahrzehnten immer mehr verschwamm, bis er an diesem Tage gewerkschaftlicher Ausschreitungen und Unzufriedenheit impulsiv wieder zum Leben erweckt wurde.
    Im Wort herrschte also großer Betrieb. Die Autoren selbst waren nicht allzu stark vertreten, weil zu viele in einsamen Zirkeln zusammensaßen, Händchen hielten und sich mit den schöpferischen Säften abmühten – und weil auch einige im entscheidenden Moment zu Lesungen in anderen Städten oder auf anderen Planeten unterwegs gewesen waren. Dafür waren die Nicht-Autoren in so großer Zahl vertreten, daß die Bedienungsroboter auf ihrem hastigen Weg von Tisch zu Tisch aus dem Surren gar nicht mehr herauskamen. Da waren zunächst die Müßiggänger, die auch sonst die wilden Autoren in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und Strichlisten über ihr Sexleben zu führen pflegten – doch heute hatte sich ihnen eine Horde morbider Vergnügungssüchtiger zugesellt; sie wollte die Verrückten sehen, die am Morgen so wild gewütet hatten. In dieser Menge – besonders an den interessanteren Tischen zur Mitte des Raumes hin – saßen Individuen und kleine Gruppen, die nach ihrem Aussehen nicht nur den Nervenkitzel im Sinne hatten, die vielmehr geheime und wahrscheinlich dunkle Absichten verfolgten.
    Am Tisch ganz in der Mitte saßen Heloise Ibsen und Homer Hemingway und ließen sich von einer minderjährigen Schriftstellerin bedienen, die als französisches Zimmermädchen verkleidet war.
    »Baby, haben wir jetzt nicht genug repräsentiert?« klagte der stämmige Autor, während die Lichter reflektierend über seinen glattrasierten, hinabsinkenden Schädel glitten. »Ich möchte eine Mütze Schlaf.«
    »Nein, Homer«, erwiderte Heloise. »Ich muß hier im Zentrum des Netzes bleiben, wo alle Fäden zusammenlaufen. Ich muß alles fest im Griff haben, und so weit ist es noch nicht.« Nachdenklich musterte sie die Leute an den benachbarten Tischen und klimperte mit ihrer Schädelkette. »Und du mußt dich deinem Publikum zeigen, sonst sinkt dein herber Typ im Kurs.«
    »Aber, Mensch, Baby, wenn wir jetzt zu Bett gingen, könnten vielleicht sogar … du weißt schon.« Er starrte sie lüstern an.
    »Also endlich in Stimmung, wie?« fragte sie kurz. »Na, ich fürchte, bei mir ist es damit aus. Bei deinem Hinterteil müßte ich ja das Gefühl haben, mit einem Glasmann ins Bett zu kriechen. Übrigens, sitzt du drauf oder davor oder dahinter oder was?«
    »Drauf natürlich. Das ist ja das Tolle, Baby – ein eingebautes Luftkissen.« Zur Probe fuhr er ein paarmal vorsichtig auf und nieder. Die Bewegung erinnerte ihn wohl an das Hin und Her einer Babywiege, denn seine Lider senkten sich herab.
    »Wach auf!« befahl Heloise. »Ich lasse mich nicht mit einem Müdling sehen! Tu etwas, damit du wach bleibst. Bestell dir einen Stechdrink oder etwas Feuerkaffee.«
    Homer warf ihr einen verletzten Blick zu und sagte zu der Lehrlingsbedienung: »Kindchen! Bringen Sie mir ein Glas doppelt bestrahlte Milch, 60 Grad.«
    »Und tun Sie vier Koffeintabletten hinein«, fügte Heloise hinzu.
    »Kommt nicht in Frage, Baby!« protestierte Homer mannhaft in hohlbrüstigem Ton. »In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht aufgeputscht ins Rennen gegangen, nicht einmal bei einem so verrückten Wachbleib-Marathon wie heute. Also keine Pillen in die Milch, Kindchen. He, hab ich Sie nicht schon mal irgendwo gesehen?«
    »Oui, M’sieur Hemingway, Sie ‘aben gesehen«, erwiderte der Teenager geziert und knickste. »Isch bin Suzette, zusammen mit Toulouse La Rimbaud Autorin des Buches Liebesleben eines französischen Twens. Dies’ Twen kann viel – in Küsche und Bett. Aber nun muß isch M’sieur seine genau heise Milsch bestellen.«
    Homer beobachtete ihren kleinen Hintern, der unter dem kurzen schwarzen Seidenrock wackelte, als sie auf eine Küchentür zueilte.
    »He, Baby«, bemerkte er, »hast du nicht auch ‘n seltsames Gefühl bei dem Gedanken, daß eine unschuldige kleine Puppe wie die über Perversionen und so reden kann?«
    »Diese kleine Puppe«, sagte Heloise barsch, »wußte schon über Perversionen und

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